Hauptsache Hochzeit
völlig unerwarteter Weise. Sie lachte nämlich lauthals. »Lieben? Ach, Jess. Gott, ich hab ganz vergessen, dass du ja keine Ahnung hast von Müttern.«
»Hab ich wohl«, entgegnete ich beleidigt. »Ich kenne mich gut mit Müttern aus. Nur nicht, eben, na ja … aus direkter Nähe …«
»Jess, Schätzchen«, sagte Helen. »Man liebt seine Mutter nicht. Na ja, auf irgendeine Weise wohl schon, aber nicht so wie seine Freundinnen oder den Liebsten oder so. Man liebt seine Mutter so wie einen echt nervigen Bruder. Die meiste Zeit gehen Mütter einem auf den
Zünder: Sie mischen sich überall ein, kritisieren an einem herum und machen alles Mögliche, auf das du garantiert keine Lust hast – was sie jedoch für das einzig Wahre halten. Wenn aber andere Leute deine Mutter kritisieren, würdest du die am liebsten an die Wand klatschen. Verstehst du?«
Ich verzog hilflos das Gesicht. »Ich hatte auch keinen Bruder«, sagte ich kläglich.
»Mach dir keine Sorgen deshalb«, meinte Helen beruhigend. »Du kriegst das schon hin. Du darfst nur nicht zu viel von dir erwarten. Und dann ist da noch was.«
»Was denn?«, fragte ich besorgt. Ich gewann allmählich den Eindruck, dass ich vielleicht mitschreiben sollte.
»Vergiss nicht, dass du irgendwann so sein wirst wie sie. Deshalb solltest du ihr das Leben nicht so schwer machen.«
»Was? Hel, ich werde meiner Mutter niemals auch nur annähernd ähnlich sein«, widersprach ich heftig. »Wir könnten kaum unterschiedlicher sein. Zwischen uns gibt es keinerlei Ähnlichkeit, nicht mal die geringste …«
»Ja, schon gut«, fiel Helen mir ins Wort. »Ich muss jetzt aufhören. Ruf mich später noch mal an.«
Ich runzelte die Stirn und legte auf. Mit ihrer Theorie, dass ich irgendwann so sein würde wie meine Mutter, lag Helen völlig falsch. Aber ihre anderen Äußerungen waren nicht so verkehrt. Ich hatte zu früh zu viel erwartet. Meine Mutter und ich kannten uns noch gar nicht. Wir brauchten nur etwas Abstand. Im Laufe der Zeit würden wir uns bestimmt gut verstehen.
Montags hatten wir immer unsere Sitzungen mit Chester – wir trafen uns jetzt einmal die Woche, da der
Launch für Projekt Handtasche immer näherrückte. Erleichtert stellte ich fest, dass Caroline schon an ihrem Schreibtisch saß.
»Hi!« Sie strahlte mich an. »Und, was meinst du?«
Ich sah sie verwirrt an. »Äm, wie bitte?«
Sie sah so gekränkt aus, dass ich sie eingehend musterte. »Hast du was mit deinen Haaren gemacht?« Sie schüttelte den Kopf. »Äm, neues Make-up?« Ich kam mir vor wie ein Typ, der nicht merkt, dass seine Freundin sich den Kopf kahl rasiert hat oder – was häufiger vorkommt – einen neuen Lippenstift benutzt. »Neuer Lippenstift?«, fragte ich matt.
»Ja! Wusste ich doch, dass man’s merken würde«, sagte Caroline zufrieden. »Deine Mutter meint, die Farbe betont meine Augen.«
Ich starrte sie verständnislos an. »Entschuldige, Caroline. Ich dachte grade, du hättest über meine Mutter geredet. Ich muss mich verhört haben.«
»Verhört?« Caroline lachte. »Du kannst so witzig sein. Genau wie sie. Ich verstehe gar nicht, wieso du mir noch nie von ihr erzählt hast. Sie ist so toll, Jess. Wirklich großartig. Und sie hat so wunderbare Haut. Du hoffst bestimmt, dass du ihre Gene abgekriegt hast.«
Ich runzelte irritiert die Stirn. »Du hast meine Mutter kennen gelernt? Wie denn? Und vor allem: Wann?«
»Liebling!« Meine Mutter kam mit ausgestreckten Armen auf mich zumarschiert. »Das ist wirklich eine fantastische Agentur. Alle waren so lieb zu mir.«
»Ach ja?« Ich lächelte gekünstelt, als sie mich umarmte. »Ich meine, schön. Das freut mich für dich«, bemühte ich mich um mehr Herzlichkeit. »Du wolltest uns also mal einen Besuch abstatten?«
Sie strahlte mich an. »Ja genau, einen Besuch abstatten und mich ein Weilchen umsehen. Max meinte, ich könne jederzeit vorbeikommen, und da hab ich die Gelegenheit gleich beim Schopfe gepackt.«
»Na klar.« Ich nickte. Das Lächeln schien auf meinem Gesicht festgefroren zu sein. »Wir müssen natürlich leider arbeiten, aber ich führe dich gerne mal rum, wenn du möchtest.«
»Ach, das ist nicht nötig«, flötete meine Mutter. »Ein reizender Mann, Gareth, hat mir schon alles gezeigt.«
»Gareth, unser Kreativdirektor?«
Meine Mutter zuckte die Achseln. »Gareth, der Mann mit den hübschen breiten Schultern«, sagte sie und kicherte dabei wie ein Backfisch.
Caroline stimmte in das Kichern ein. »Er ist
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