Hauptsache Hochzeit
geradezu meinen, es gäbe nichts anderes mehr auf der Welt.«
Gareth und Caroline starrten mich mit offenem Mund an. Dann trat Gillie plötzlich zu uns. »Hat es was mit dem Artikel in Advertising Today zu tun?«, fragte sie besorgt.
»Artikel? Was für ein Artikel?«, fragte Gareth aufgeregt. Caroline kramte auf ihrem Schreibtisch herum und förderte schließlich die Zeitschrift zutage, die Gareth ihr förmlich aus der Hand riss. »Was geht hier vor sich?«
»Nichts«, beharrte ich. Mein Mund fühlte sich trocken an. »Nichts. Ganz ehrlich, es ist alles …«
»Das da?« Gareth hielt mir den Artikel unter die Nase. »Da steht doch nur drin, dass wir mehr Aufträge kriegen werden«, sagte er verwirrt. »Der ist doch positiv für uns.«
»Eben«, äußerte ich rasch. »Das ist ein guter Artikel, alles ist in Ordnung, und ich versuche nur …«
»Nicht dieser Artikel«, warf Gillie ein und zog eine Augenbraue hoch. »Der Online-Artikel. Das Interview mit Hugh Barter.«
»Hugh Barter?« Ich starrte sie an. »Worum geht es da?«
Gillie rief den Artikel auf meinem Computer auf. »Schau selbst«, sagte sie.
Ich beugte mich runter und begann zu lesen. »Scene It rettet Milton-Reste«, verlas Gareth die Schlagzeile. Ich reagierte nicht, sondern las hastig den ersten Absatz. Dann fielen mir fast die Augen aus dem Kopf: » Gestern ließ Hugh Barter verlauten, dass Milton Advertising dramatische Probleme habe, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die Agentur im Aufstieg begriffen zu sein schien … Barter zufolge kämpft die Firma mit Schwierigkeiten, seit Max Wainwright die Zügel übernommen hat, und steckt nun in einer massiven Finanzkrise. Barter bedauert die Situation und erklärt sich bereit, die Kunden von Milton übergangslos bei Scene It aufzunehmen, damit sein eigenes Unternehmen nicht mit in diese Krise gezogen wird. Gestern erst hat sich offenbar Miltons potentester Kunde, Chester Rydall, aufgrund durchgesickerter Informationen von der Agentur getrennt …
Mir verschlug es die Sprache. Das musste ein übler Scherz sein.
»Wie lange steht das schon im Netz?«, fragte ich.
Gillie zuckte die Achseln. »Etwa eine halbe Stunde, glaube ich. Der Link ist mir gerade erst geschickt worden. Er geht jetzt bei allen hier rum.«
Mir lief es eiskalt den Rücken runter. »Hat Max den Artikel gesehen?«
»Müsste er eigentlich«, antwortete Gillie mit einem Stirnrunzeln. »Hat er die Titelseite von Advertising Today nicht als Begrüßungsseite?«
»O Gott«, sagte ich.
»Stecken wir wirklich in einer Finanzkrise?«, fragte Caroline mit zittriger Stimme. »Ich meine, ist Jarvis nicht unser wichtigster Kunde?«
»Was soll das heißen mit der ›durchgesickerten Information‹,
Jess?«, fragte Gareth mit rauer Stimme. »Was hat das zu bedeuten? Geht die Agentur jetzt den Bach runter?«
»Nein, das tut sie nicht«, erwiderte ich fest. »Es gibt keine Finanzprobleme bei uns. Dieser scheiß Hugh Barter versucht nur wieder, seine jämmerlichen Tricks anzuwenden.«
»Aber wir sollen nun nicht mehr an Projekt Handtasche weiterarbeiten? Und das soll ein Zufall sein?«, fragte Gareth anklagend.
»Okay, es gibt ein paar Probleme mit dem Jarvis-Deal«, räumte ich ein. »Aber das ist auch schon alles. Wir haben haufenweise andere Kunden. Es ist alles in Ordnung.«
»Genau, haufenweise Kunden. Als da wären Superfoods und diese Nagellackfirma, die nie ihre Rechnungen bezahlt«, äußerte Gareth und schüttelte trübsinnig den Kopf. »Übrigens danke, dass du uns so frühzeitig informiert hast, Jess. Echt gutes Management.«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber er war schon davongestapft.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Gillie und verschränkte die Arme vor der Brust, nur um sie sofort wieder sinken zu lassen. Ich hatte sie noch nie so nervös erlebt. »Komm schon, Jess, was unternehmen wir? Ich bin gerne hier. Wir müssen doch irgendwas tun können.«
Sie sah mich erwartungsvoll an, und auch Caroline blickte vertrauensvoll zu mir auf. Ich sah die beiden ein paar Momente an, und das Herz tat mir weh, als ich an Max dachte und an alles, was wir beide uns so mühsam erarbeitet hatten.
»Wir machen gar nichts«, sagte ich mit dumpfer Stimme. »Aber ich werde jetzt mal rausgehen.«
Scene It befand sich am Kingsway, einer tristen, grauen, stark befahrenen Straße zwischen den Subway-Stationen Holborn und Temple. Es wimmelte dort von gehetzt wirkenden Angestellten des öffentlichen Dienstes und
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