Hauptsache Hochzeit
tief Luft. »Ääh …«
»Ach du meine Güte. Sie wollen mir doch nicht sagen, dass die Hochzeit …«
»Ist abgesagt«, sagte ich, kramte ein Taschentuch heraus und schnäuzte mich lautstark.
Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich das Kleid nun wahrhaftig nicht tragen würde. Jedes Mal, wenn ich es anprobiert hatte, hatte ich mich wie eine andere Person gefühlt, besser und schöner, wie eine wahre Prinzessin in einem wahren Märchen. Doch jetzt war das Märchen aus; ich hatte mich der dunklen Seite anheimgegeben und meinen Traumprinzen für immer verloren.
»Aber die Hochzeit ist doch bestimmt nicht… Ich meine, glauben Sie nicht, dass …« Vanessa schien immer noch Hoffnung zu hegen, und einen Moment lang war ich versucht, sie in dem Glauben zu lassen, dass vielleicht doch noch alles gut würde. Aber ich wusste, dass ich mir etwas vormachte.
»Ich glaube, diesmal wird es nichts«, brachte ich schließlich hervor. »Aber ich bezahle natürlich die Änderungen.«
»Änderungen? Ach, das ist nicht der Rede wert. Ich hatte nur gedacht, dass Sie dieses Mal … dass Sie diesmal Ihr Glück gefunden hätten.«
»So war es auch«, erwiderte ich bitter. »Und ich hab es einfach weggeworfen. Mithilfe eines Dreckskerls namens Hugh Barter.«
Vanessa seufzte. »Sie dürfen sich nicht allein die Schuld geben«, sagte sie. »Es gehören immer zwei dazu.«
»In diesem Fall nicht.«
»Ah.«
Ich holte tief Luft. »Danke, Vanessa. Für alles. Es tut mir leid, dass alles … na ja, anders gekommen ist.«
»Keine Ursache, Jessica. Es war mir ein Vergnügen. Eine seltsame Erfahrung, aber dennoch ein Vergnügen. Und Ihr Kleid wartet hier auf Sie, falls es doch noch mal so weit sein sollte. Man weiß ja nie, nicht wahr?«
Ich lächelte traurig. »Ich fürchte, ich weiß sehr wohl, aber dennoch lieben Dank.«
Kapitel 20
Ich fuhr auf direktem Weg nach Hause. Und erst als ich die Treppe zu unserer Wohnung hinaufstieg, wurde mir bewusst, dass ich hier in Kürze nicht mehr zuhause sein würde. Ich würde mir eine eigene Wohnung suchen müssen – schließlich konnte ich wohl kaum allein auf dem Land in Grace’ ehemaligem Haus leben. Vielleicht würde ich mir auch irgendwo eine Eigentumswohnung zulegen. Genug Geld hatte ich schließlich. Ich verzog gequält das Gesicht – das klang alles viel zu endgültig. Nein, ich würde lieber wieder bei Helen einziehen, wo ich mich samstagabends um laute, langweilige Partys würde drücken müssen. Alles würde sein wie vor Max. Und eben auch nicht, denn jetzt wusste ich ja genau, was mir fehlte und was ich verloren hatte.
Langsam ging ich auf die Wohnungstür zu, holte meine Schlüssel hervor und schloss auf. Nirgendwo brannte Licht; Max war nicht zuhause. Ich würde hier auf ihn warten, beschloss ich. Und ihm dann mit so wenigen Worten wie möglich und gänzlich ohne Tränen, Hysterie oder Stress erzählen, was ich angerichtet hatte. Dann würde ich meine Sachen packen und verschwinden.
Nein, blöder Plan. Ich würde meine Sachen jetzt packen, bevor er nach Hause kam, damit ich mich nach meiner Beichte nicht mehr länger hier aufhalten musste als nötig.
Aber eigentlich wollte ich natürlich länger bleiben. Wenn meine Sachen noch nicht gepackt waren, hatte ich einen Vorwand, um länger zu bleiben. Außerdem würde Max, wenn er mich auf gepackten Koffern sitzen sah, vermutlich denken, dass ich ihn verlassen wollte , und das Gespräch würde einen ganz anderen Verlauf nehmen.
Gut, ich würde also danach packen. Und wenn es ganz schlimm lief, würde ich einfach alles hierlassen und ein andermal wiederkommen. In der Zwischenzeit konnte ich aber schon mal eine kleine Tasche mit den wichtigsten Sachen packen, damit ich gegebenenfalls einen schnellen Abgang machen konnte. Zahnbürste, ein bisschen Unterwäsche und dergleichen.
Dankbar für diese Aufgabe wanderte ich ins Schlafzimmer. Aber anstatt Unterwäsche aus der Kommode zu nehmen, legte ich mich aufs Bett, griff mir Max’ Kissen, atmete seinen Geruch ein und sann darüber nach, ob ich vielleicht doch nicht alles erzählen, sondern Max stattdessen überreden sollte, mit mir das Land zu verlassen, vielleicht nach Mexiko zu gehen, wo wir mit dem Geld von Grace ein anspruchsloses Leben am Strand führen würden und nie wieder an Menschen wie Hugh, Chester und Anthony denken müssten …
»Jess? Jess, bist du wach?« Erschrocken schlug ich die Augen auf und erblickte Max, der sich über mich beugte. »Du schläfst schon seit
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