Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)
einer Glosse über Freikörperkultur.
Er kann sich nicht daran erinnern, jemals in seinem Leben öffentlich nackt gewesen zu sein. Er kommt nur sehr schwer voran.
13.20 Uhr
Paul Bokowski hat den Entschluss gefasst, anders an das Thema Freikörperkultur heranzugehen: Seit 28 Minuten sitzt er nackt an seinem Schreibtisch.
14.19 Uhr
Paul Bokowski hat den Entschluss gefasst, eine Pause zu machen. Er packt die Gelegenheit seines Nacktseins am Schopf und geht duschen.
14.36 Uhr
Geplagt von seinem schlechten Gewissen, beschließt Paul Bokowski, sich erst einmal um das Mittagessen zu kümmern.
15.09 Uhr
Paul Bokowski kocht die erste Kürbissuppe des Jahres. Er ist noch immer nackt. Das Wetter ist wolkenlos und sonnig. Das Thermometer zeigt 27 Grad.
15.56 Uhr
Das Telefon klingelt. Am Apparat ist Luise Kaufmann. Sie versucht, Paul Bokowski zum Besuch der Nacktliegewiese am Plötzensee zu überreden. Paul Bokowski weigert sich beharrlich. Luise Kaufmann argumentiert: »Aber wir sind doch unter uns.« – Paul Bokowski antwortet: »Ja, eben!«
16.31 Uhr
Paul Bokowski kommt der schleichende Verdacht, für sein junges Alter ungewöhnlich prüde zu sein. Unbemerkt hat er sich während des Gesprächs mit Luise Kaufmann eine Hose und ein Hemd angezogen.
16.53 Uhr
Paul Bokowski hat die Ursache seiner Prüderie gefunden. Er beschließt, seine Mutter anzurufen.
17.07 Uhr
Paul Bokowski telefoniert mit seiner Mutter. Um sich selbst gegenüber zu beweisen, nicht prüde zu sein, wird er während des Telefonats damit beginnen, sich langsam wieder auszuziehen.
17.13 Uhr
Frau Bokowski kann den Behauptungen ihres Sohnes nicht viel abgewinnen. Er habe schon als Säugling die Brust abgelehnt und ab seinem fünften Lebensjahr darauf bestanden, in der Badewanne eine Schwimmhose zu tragen.
17.21 Uhr
Paul Bokowski macht seiner Mutter den Vorwurf, sie habe niemals offen über Sexualität mit ihm gesprochen. Frau Bokowski findet diese Behauptung unverschämt und kontert damit, dass sie auch nach 35 Jahren Ehe noch immer gerne den Penis ihres Mannes in den Mund nimmt. Paul Bokowski ist schockiert und legt auf.
17.28 Uhr
Paul Bokowski hat beschlossen, dem Angebot von Luise Kaufmann nachzukommen, und ist auf dem Weg zur Nacktliegewiese am Plötzensee.
17.42 Uhr
Als Paul Bokowski sich im hinteren Drittel der Nacktliegewiese entkleidet, hofft er inständig, dass niemand zu ihm hinüberschaut.
17.53 Uhr
Auch nach elf Minuten hat noch immer niemand zu ihm hinübergeschaut. Paul Bokowski ist beleidigt.
18.29 Uhr
Paul Bokowski hat große Sorge davor, auf der Nacktliegewiese einem Bekannten zu begegnen. Er sinniert darüber, ob es in solch einem Falle weniger peinlich wäre, auf dem Rücken oder dem Bauch zu liegen.
18.51 Uhr
Paul Bokowski wird auf der Nacktliegewiese am Plötzensee von Frau Brohm angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt liegt Paul Bokowski auf seiner Seite.
19.07 Uhr
Paul Bokowski macht sich auf den Heimweg. In wenigen Minuten möchte er damit fortfahren, an seiner Glosse zu arbeiten. Er beschließt, einen Kakao zu trinken und kurz in das neue Buch von Haruki Murakami hineinzuschauen.
22.39 Uhr
Paul Bokowski ist auf Seite 126 hat seit 30 Minuten Blähungen.
23.21 Uhr
Der Vater von Paul Bokowski ruft an, um sich zu beschweren. Seine Frau, sagt Herr Bokowski, habe seinen Penis seit mindestens drei Jahren nicht mehr in den Mund genommen. Paul Bokowski ist abermals schockiert und legt wieder auf. Gegen Mitternacht wird er beschließen, den Kontakt zu seinen Eltern vollständig abzubrechen.
2.54 Uhr
Paul Bokowski hat im fahlen Licht seines PC-Monitors seine Glosse fertiggestellt. Er wird das fertige Dokument an eine E-Mail anhängen und die Sendezeit um einige Stunden zurückstellen. Peter Rehberg schläft bereits. Er weiß um Paul Bokowskis Eigenarten und hat nicht ohne Grund eine Glosse in Auftrag gegeben, die erst übermorgen fertig sein muss.
3.34 Uhr
Paul Bokowski hat diesen Tag beendet, wie er die meisten Tage zu Ende bringt: Er ist beim Onanieren eingeschlafen. Es war ein guter Tag.
SAMSTAG, 18.00 UHR
Die essbare Unterwäsche ist vor sieben Jahren abgelaufen
.
Seit einiger Zeit denke ich darüber nach, beim Kollegen Heiko Werning einen Zweitschlüssel für meine Wohnung zu bunkern. Denn er wohnt nur ein paar Häuser die Straße runter und ist oft zu Hause. Vielleicht wäre er so nett, auch noch einen meiner Schlüpper in Verwahrung zu nehmen
.
BOKOWSKI
UND DIE BRANDSTIFTER
Frau Brohm
Herr
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