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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bokowski
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Bokowski!
Ich
Frau Brohm!
Frau Brohm
Gut geschlafen?
Ich
Nee. Gar nicht geschlafen.
Frau Brohm
Wie kommt’s?
Ich
Wie soll ich es ausdrücken? Ich hatte Herrenbesuch.
Frau Brohm
Ach. Schau an!
Ich
Ja. Männer in Uniform.
Frau Brohm
Sie steh’n auf Uniformen?
Ich
Nein. Eigentlich nicht.
Frau Brohm
Eigentlich?
Ich
Na ja. Eigentlich gar nicht … Höchstens Feuerwehr. Oder Polizisten. Oder Sanitäter.
Frau Brohm
Und wer war jetzt da?
Ich
Erst die Feuerwehr, dann die Polizei und dann zwei Sanitäter.
Frau Brohm
Klingt ein bisschen nach einer Playmobil-Orgie?
Ich
Nee, gebrannt hat es.
Frau Brohm
Gebrannt?
Ich
Ja. Unten. Bei uns im Flur.
Frau Brohm
Ach.
Ich
Und im Treppenhaus gegenüber. Und im Seitenflügel. Und im Vorderhaus.
Frau Brohm
Lauffeuer?
Ich
So was Ähnliches: Brandstiftung.
Frau Brohm
Im Wedding?
Ich
Ja. Verrückt, oder? Am Anfang hab ich noch gedacht: Vielleicht so Autonome.
Frau Brohm
Gentrifizierungsgegner?
Ich
Ja. Kann doch sein.
Frau Brohm
Na ja. Wär allerdings schon ein bisschen doof, wenn diese Autonomen Autos und Häuser in einem Stadtteil anzünden, der noch gar nicht gentrifiziert wurde.
Ich
Aber Frau Brohm: Wehret den Anfängen!
Frau Brohm
»Brenne, KiK, brenne?«
Ich
Vielleicht waren das ja ortsfremde Autonome. Aus Göttingen oder so. Die sind über die Stadtautobahn gekommen, haben im Stadtplan »Berlin-Mitte« gelesen und erst mal etwas angezündet.
Frau Brohm
Aber das sieht man doch, dass der Wedding nicht gentrifiziert ist.
Ich
Aber nicht, wenn man aus Göttingen kommt. Im Vergleich zu Göttingen sieht sogar Marzahn gentrifiziert aus.
Frau Brohm
Autonome aus Göttingen fühlen sich in Berlin bestimmt wie kleine Kinder im Schokoladenladen.
Ich
Ja. Ganz aufgeregt und hippelig und voller Vorfreude: »Was nehm ich nur, was nehm ich nur?«
Frau Brohm
Dann können wir uns ja richtig glücklich schätzen, dass Sie uns nicht verkokelt sind.
Ich
Ja. Zum Glück bin ich rechtzeitig aufgewacht.
Frau Brohm
Vom Lärm?
Ich
Nein nein. Vom Geruch!
Frau Brohm
Ich dachte, der Geruchssinn schläft, wenn man … na ja … schläft.
Ich
Dachte ich auch. Aber komischerweise erinnere ich mich noch ganz genau daran, wie ich im Traum gedacht hab: Was riecht denn hier so nach Helmut Schmidt. Und dann wach ich auf und der ganze Flur ist voller Rauch.
Frau Brohm
Und dann?
Ich
Dann hab ich mir erst mal eine frische Unterhose angezogen.
Frau Brohm
Wie bitte?
Ich
Eine frische Unterhose.
Frau Brohm
Eine frische Unterhose?
Ich
Ja. Das ist bei polnischstämmigen Menschen wie mir so eine Art Pawlow’scher Reflex. Immer wenn man als Pole in eine lebensgefährliche Situation kommt, verspürt man den tiefen innerlichen Drang, sich erst mal frische Unterwäsche anzuziehen. Ist so ein Erziehungsding … Schaun Sie: Als ich noch ein kleines Kind war und langsam angefangen habe, mich selbst anzuziehen, da hatte meine Mutter immer Angst, dass ich vergessen könnte, frische Unterwäsche anzuziehen. Dann hat sie immer zu mir gesagt: »Paulchen, jetzt stell dir mal vor, du hast einen schweren Unfall. So einen richtig schweren Unfall. Also so richtig schwer. Und dann kommst du ins Krankenhaus, und weil du so einen schweren Unfall hattest, müssen die Leute im Krankenhaus erst mal deine Sachen aufschneiden. Und auf einmal sehen die, dass du keine frische Unterwäsche anhast. Stell dir
das
mal vor!«
Frau Brohm
Sehr eigenwillige Erziehungsmethoden.
Ich
Ja. Ich kenn das aber aus ganz vielen polnischen Familien.
Frau Brohm
Sie haben es aber unbeschadet überstanden?
Ich
Den Brand oder die Erziehungsmethoden?
Frau Brohm
Den Brand.
Ich
Ja. Es stand ja nur der Qualm im Flur. Ich hab dann erst mal die Fenster aufgerissen und gleich gesehen, dass die Feuerwehr wohl schon alles im Griff hatte.
Frau Brohm
Brand gelöscht?
Ich
Ja. Alle vier. Die sind dann nur noch durchs Haus gelaufen, haben die Flurfenster aufgemacht und überall geklopft. Das war schon ziemlich surreal, wie auf einmal dieser Feuerwehrmann in meinem Wohnungsflur stand. Er in voller Montur, mit Helm, Sauerstoff und Gasmaske, und ich in Schlüpper und Bademantel am offenen Fenster.
Frau Brohm
Hat der was gesagt?
Ich
»Tachchen. Schön ham Se’s hier.«
Frau Brohm
Und weiter?
Ich
»Danke«, hab ich gesagt, »hab extra aufgeräumt für Sie.« Hab dann kurz überlegt, ob ich ihm noch sagen soll, dass ich auch extra frische Unterwäsche angezogen hab.
Frau Brohm
Gibt ja viele Polen im Wedding. Hört so ein Feuerwehrmann bestimmt zwei oder dreimal pro Woche.
Ich
Als ich den später noch

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