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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bokowski
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Kreisen wohl nicht gerade unüblich ist. Was dem zwischenmenschlichen Moment mit Cord allerdings eine gewisse Absurdität verleiht, ist die Tatsache, dass ich das a) noch nie gemacht habe und b) im Gegensatz zu Cord noch immer eine Hose trage. Mittlerweile hat der Staatsanwalt damit begonnen, ein lautes hundeartiges Winseln nachzuahmen, und weil mir das in diesem hellhörigen Kreuzberger Neubeu etwas unangenehm ist, gebe ich mir einen Ruck und nehme Platz. Zusammengefasst kann diese merkwürdige Stellung wie folgt beschrieben werden: Cord trifft Cordhose.
    Eine gewisse sexuelle Etikette oder aber nur der gute Ton würden es nun vorgeben, etwas Stimmungsunterstützendes zu sagen. Wie zum Beispiel: »Na, du Schwein, gefällt dir das?« Es muss dabei auch keinerlei Rücksicht darauf genommen werden, dass der gute Cord in so einer schweinischen Stellung überhaupt nicht antworten kann. Es ist also eine rein rhetorische Frage, die aber zumindest mit einem lauten Grunzen zur Kenntnis genommen wird. Dass der gute Cord bei diesem Facesitting so eine Freude empfindet, wundert mich ein wenig, da ich besagte Cordhose vor nicht einmal vier Stunden aus dem Trockner gefischt habe und sie, wenn überhaupt, nur nach Weichspüler riechen dürfte. »Na, du Schwein, gefällt dir das? Lenor Alpenfrische, du Sau!«
    So ein Gesicht ist übrigens ein ungeheuer unbequemes Ding. Das kann doch auch keinen Spaß machen, denke ich mir, wenn sich Druck- und Gegendruck an den winzigen Kontaktflächen vierer Backenknochen begegnen. Zudem steigt die nicht ganz unbegründete Frage in mir auf, ob ich nach unserem seltsamen Stelldichein verräterische Popelspuren an meinem Hintern durch die Gegend tragen werde.
    Eigentlich war ich ja in der Aussicht auf ein Kaltgetränk erschienen, vielleicht mit anschließendem Rumknutschen und Wiedersehen. Gottogott, wie einfältig war ich doch, selbst nach nahezu zehn Jahren Großstadt!
    »Ich wünsche mir Tomatensaft«, hatte ich scherzhaft geschrieben und mich auf den Weg zum Kottbusser Tor gemacht. Zu meiner Überraschung wurde mir nackt die Tür geöffnet. Zwei Minuten später saß ich in einem weißen Ikea-Sessel, nippte an meinem Tomatensaft und schaute Cord dabei zu, wie er sich an den Eiern rumspielte.
    Wenn ich völlig unvorbereitet mit derart sexuellen Handlungen konfrontiert werde, reagiere ich gewöhnlich mit einer gehörigen Portion Autismus. Das ist ein bisschen wie beim Fussballspielen in der Schule damals. Kaum auf dem Feld, zwang mich eine innere Abneigung gegen Ballsportarten aller Art stets dazu, meine Hände tief in den Hosentaschen zu vergraben und lediglich mit einem stoischen Blick, einer geduckten Körperhaltung und ohne jedwede aktive Beteiligung dem pubertären Treiben und den unkoordinierten Flugbahnen des Balles zu folgen. Nichts weiter. Mehr Teilnahme war in solchen Momenten nicht von mir zu erwarten. Flog der Ball in meine Richtung, so flog er meistens an mir vorbei. Flog er aber auf mich zu, so prallte er an mir ab. Rollte er davon, so rollte er eben davon. Das ist noch heute so.
    Also saß ich auch nach zehn Minuten noch immer teilnahmslos in jenem weißen Ikea-Sessel und schaute mit nüchternem Blick dabei zu, wie der gute Cord an sich herumspielte. Dass ich mich partout nicht rühren oder gar mitmachen wollte, schien den guten Mann nicht so recht zu stören. Ganz im Gegenteil. Stattdessen war es fast so, als entfache meine Teilnahmslosigkeit ein Feuer der Wollust und Leidenschaft in ihm. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand meine Zurückhaltung mit einer sonderbaren Form dominanten Gehabes missinterpretiert. Also lag Cord nur wenige Momente später zusammengekauert auf dem Boden und roch an meinen Socken, während die kleinen Schraubklemmen, die er sich dazu an seine Brustwarzen geheftet hatte, leise über das Parkett schabten.
    Als Cord versuchte, seine große klobige Nase unter einen meiner Füße zu schieben, nahm ich vorsichtig einen Schluck von meinem Tomatensaft. Ich hatte Angst um den schönen weißen Sessel. Nach dem zweiten Schluck fragte ich mich, warum es Leute gibt, die so was überhaupt trinken und ob er vielleicht in einer Höhe von 20.000 Fuß anders respektive besser schmeckt. Meine Gedanken kreisten also auch um das Thema Füße.
    »Ja, du Sau. Schmecken dir meine Socken? Soll ich euch drei lieber alleine lassen?«
    Mittlerweile hatte Cord sich meinen halben Fuß in den Mund geschoben und kaute genüsslich und schmatzend auf meinen besockten Zehen herum.

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