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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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zutiefst peinlich.
    »Ja.« Ihre Stimme krächzte, war kaum mehr als ein trockenes Flüstern. Als sie sich mit beiden Händen das Gesicht rieb und leicht schwankte, spürte sie in ihrem Mund den Staub, den Schmutz, den Dreck des ganzes Hauses.
    »Schatz. Um mich, um mich selbst mach ich mir keine Sorgen, ich denk nich mal an mich. Es geht nich um mich. Ich hab immer die harte Seite gesehen und immer auf der dreckigen Seite, auf der vergammelten Seite gelebt, aber du nich. Du bist nie tiefer gesunken, warst immer die Tochter eines großen Mannes, dem jede Menge Land und jede Menge Farmen gehören, und hast immer in nem großen Zwölfzimmerhaus aus Stein gewohnt und hattest wenigstens n paar von den guten Sachen dieser Welt. Du bist sie gewohnt. Dein Verstand und deine Pläne und deine Gedanken und deine Hoffnungen, alles an dir war immer, na ja, irgendwie n paar Stufen höher als ich. Ich weiß noch, dass ich mein Leben lang ein großer Mann sein wollte wie dein Dad und wie ich danach lechzte, gierte, fieberte, ein großer Grundbesitzer zu sein oder ein großer Mann, ein großer Geschäftsführer, ein Vorarbeiter, Herr über ein großes Stück Land, das sich in alle Richtungen erstreckt, so weit das Auge reicht. Aber ich war nie was andres, war nie mehr als der hart arbeitende Sohn von Leuten, die ihr Land an deinen Vater verloren haben. Das war vor mehreren Jahren.«
    »Und? Was hat das mit heute zu tun? Hör zu! Mister Tike Hamlin!« Sie fuhr herum, stampfte auf und schrie voller Wut: »Wenn du wieder anfängst, mir meinen reichen alten Daddy unter die Nase zu reiben, gehe ich schnurstracks durch diese Tür und bin für immer weg! Ich werde nicht jeden Tag meines Lebens hier rumstehen und mir anhören, wie mein eigener Mann winselt und stöhnt und sich die Haare rauft und sich die Augen aus dem Kopf weint, nur weil ich zufällig einen Vater habe, dem so viele Farmen gehören! Ja! Er hat jeden Trick angewandt, um deinen Leuten die Farm wegzunehmen! Und mit denselben Tricks hat er ein Dutzend andere Menschen von ihren Farmen vertrieben! Oder Pächter aus ihnen gemacht! Diese Seite meines Lebens kenne ich zehntausend Mal besser, als du, Tike Hamlin, sie je kennen wirst oder je kennen könntest, und wenn du deinen Schädel noch so oft gegen die Windmühle oder gegen den Bettpfosten schlägst! Und wär’s für die nächsten tausend Jahre! Ich habe ihm die Bücher geführt und seine Dollars und seine Pennys und seine Schulden und seine Zinsen und seine Hypotheken verwaltet, jeden Nickel, jeden verrotteten Cent, rein und raus, rein und raus, sechs der besten Jahre meines Lebens! Lieg nicht da wie ein Baby und heul mir nichts vor über meinen reichen alten Daddy! Schreib mir nicht vor, wo ich leben soll! Und auch nicht, wie! Und auch sonst nichts weiter! Um Gottes willen! Um Christi willen! Um meinetwillen und um deinetwillen! Tike. Noch ein Wort über mich und meine Familie, die alles kaputt macht, und ich marschiere schnurstracks zur Tür hinaus, das schwöre ich dir! Und du kriegst dein ganzes Leben lang weder Haut noch Haar von mir zu sehen!« Ihre Stimme wurde zu einem lauten Kreischen, und um nicht in Tränen auszubrechen, ruderte sie mit den Händen und atmete schwer. »Gott!« Sie presste die Hände flach auf die Tapete, drückte ihre feuchte Wange gegen ihre Knöchel und spürte, wie ihre Wimperntusche verlief.
    Tike hatte sich beruhigt. Er sprach etwas leiser, und seine Worte klangen, als kämen sie durch einen Berg Baumwolle. »Is schlimm, Landpächter zu sein. Tiefer konnten wir gar nich sinken.«
    »Wenn das alles ist, was du je gewesen bist, warum schäumst und jammerst und quengelst du dann, dass du so tief gesunken bist?« Noch immer presste sie ihr Gesicht gegen ihre Hände und blickte aus dem Nordfenster. In ihren Augen spiegelte sich Trauer.
    »Ich bin gesunken.«
    »Wie denn um alles in der Welt? Du bist Pächter. Du warst immer schon Pächter. Seit deiner Geburt. Wohin willst du denn gesunken sein? Woher plötzlich all dieses Gesunkensein?« Die dunklen Flecken auf ihren Wangen färbten auf ihre Handrücken ab.
    »Der alte Bankier Woodridge will uns die Farm nich für noch n Jahr verpachten.«
    Ella sank die Wand hinab zu Boden. Sie saß blinzelnd da, die Füße unter ihrem Kleid gekreuzt. »Nein? Wann warst du denn beim alten Woodridge? Davon hast du mir gar nichts erzählt. Ich wusste gar nicht, dass unser Jahr schon um ist.«
    Er leckte sich die heißen Lippen, die er noch immer gegen die Bettdecke

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