Haus aus Erde
Pläne und Schneid und Schwung und Pfeffer im Arsch, aber jetzt bin ich nur noch Pächter, ich weiß nich, ich weiß nich, warum, aber anscheinend hab ich die Hälfte von dem alten Zeug verloren, das ich in mir hatte, das ich für mein Land und meine Saat und meine Jahreszeiten empfunden hab. Und dann bin ich zehn Mal tiefer und noch tiefer gesunken als wie n Pächter. Gott im Himmel! Elly! Elly! Schatz! Ich hab meinen Halt in der Welt verloren! Ich hab gepfuscht und bin so tief, so verdammt tief gesunken, dass ich als bloßer Naturalpächter ende! Dass ich n Teil der Ernte als Pacht abgeben muss!« Und eine volle halbe Minute stand Tike reglos da, blickte zur Osttür hinaus auf den Kuhstall und wartete darauf, dass Ella etwas sagte.
Ella May spürte, wie ihr ein saurer Rülpser aus dem Magen in die Nase stieg und trübe kleine Tränen ihre Augen leuchten ließen. Sie schloss die Augen und sah die Windungen und Wendungen ihres ganzen Lebens vor sich. Sie legte den Kopf wieder an die Tapete und roch die Fäulnis und den Dreck im Zimmer. Im Norden, genau eine Meile vor dem Fenster, sah sie auf der Route 66 zwei Autos vorüberfahren. Als sie lächelte, fühlte ihr Gesicht sich schlammverkrustet an. »Guck dir die beiden Autos an.«
»M-m.« Tike lehnte den Hinterkopf an den Türrahmen. »Eins fährt wie n Riese. Das andre wie n Zwerg. Eins fährt wie n Cadillac und das andre wie n Austin.«
»Das klitzekleine sieht aus wie ne winzige Termite oder so ne Insektenart. Oder?« Ellas Tränen schmeckten salzig und sandig auf ihrer Zunge und ihren Lippen, und in ihren Worten schwang ein fernes, klebriges Gefühl der Leere mit. »Termiten. Ha ha ha.«
Tike behielt die Hände in den Gesäßtaschen, nur die Daumen ragten heraus. Mit dem linken Absatz klopfte er auf den wurmzerfressenen Holzfußboden, und mit dem rechten trat er gegen die Kante eines dünnen, harten, abgenutzten Stücks billigen Linoleums. Ella versuchte zu lächeln. Tike lächelte über die Zäune und die Felder, über die Fäulnis und die Mühen hinweg zum Highway. Und er sagte:
»Termiten. Ha.« Seine Stimme war flach und ausdruckslos. Und auf seinem Gesicht stand jenes Lächeln, mit dem er sich im Lauf seiner dreiunddreißig Jahre zehntausend Freunde und Feinde gemacht hatte. Sein Gesicht lächelte. Sein Gesicht lächelte mit all den Rätseln, Echos und Visionen aller Männer, die je der Pflugschar und der Saat und den Jahreszeiten gefolgt waren. Seine Augen waren Murmeln, und wie Radio, wie Fernsehen spiegelten sie die Erdstrahlen des Kummers. Er beugte die Knie und wollte sich in die Tür setzen, glaubte aber, Ella May würde sich besser fühlen, wenn er stehen blieb. Also richtete er sich auf, so gut er konnte, und lehnte den Kopf wieder an den Türrahmen. Er spähte durch den Wind hindurch und sah, wie das große und das kleine Auto, die auf der Straße nach Westen fuhren, immer kleiner wurden. Wieder trat er Linoleumstücke los und ballte so fest die Fäuste in den Hosentaschen, dass seine Fingernägel tiefe violette Spuren in seine Handflächen gruben.
Sein Gesicht lächelte in denselben alten Wind hinaus, den er sein Leben lang als einen Teil von Leben und Tod gekannt, empfunden und gerochen hatte. Der Wind war Teil des Wetters, und das Wetter war Herr über Leben und Tod von Menschen und Feldfrüchten. Schon immer hatte er halb finster, halb lächelnd auf das Wetter geblickt, auf die Sonne, auf die Sterne, die um den großen blauen Erdball jagen. Von Norden her mähten blaue Schneestürme die Grashalme. Allen seinen Tieren waren Nase und Ohren erfroren. Tike hatte gelernt, zu blinzeln und sein Gesicht in Falten zu legen, wenn er hinaustrat in die pfeifenden Winde der kalten Jahreszeiten. Auch in die glühend heiße Sonne, den Staub, den Schweiß, die springende, tanzende Hitze der Trockenperioden hinauszulächeln hatte er gelernt. Und in den Regen. In die wilden, sinnlosen, treibenden, alles hinwegspülenden Regengüsse. All das hatte seine Stirn gefurcht, geformt und geschmirgelt. All das lag in seinem Gesicht, in seinem Blinzeln, war Teil jenes freundlichen, für seine Leute bestimmten Lächelns oder jenes stürmischen Hohnlachens des Hasses, das ihn überkam, wenn er von seinen Feinden sprach und von denen, die ihm Leid zugefügt hatten. Und sein Hohnlachen, sein finsterer Blick und sein Zähnefletschen, selbst sein Blinzeln und sein Lächeln, all das überkam ihn hundert und tausend Mal am Tag, und manchmal wanderte all das gleichzeitig
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