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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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ihr.
    »Von all den Männern, die ich hätte heiraten können. Dass ich mir ausgerechnet dich aussuchen musste.« Als er einen Schritt machte, um sich vor sie zu stellen, schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. Bei jedem Schritt, den er tat, wandte sie sich erneut ab. So stand er immer hinter ihr. Sie wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Sie tat wütender, als sie in Wirklichkeit war. »Dich hab ich ausgesucht. Dich.«
    Tike legte die Arme um sie und umschloss mit den Händen wieder ihre Brustwarzen. Er knabberte an ihrem Nacken, zog sie an sich und sagte: »Ja, du meine Güte. Denk doch bloß, Schatz. Wenn du n andern als wie mich geheiratet hättst, hättste sechshundertvierzig Morgen besten Ackerboden im ganzen Land haben können und ein Steinhaus mit allem Drum und Dran. Wie dein Papa es gewollt hat. So oft steh ich da und wundere mich, wundere mich, wieso du neben diesem verrottenden Haufen Nichts stehst, mit mir als Ehemann. Verstehste?«
    »Ich stehe genau hier. Hier. Hier. Einfach weil ich nirgendwo sonst stehe! Du dämlicher Idiot! Du bist mein Mann, weil ich dem alten Gemeindeschreiber zweieinhalb Dollar von unserem schwerverdienten Geld gegeben habe, damit er uns traut! Und ich stehe hier und sehe mir dieses verrottete, baufällige alte Haus an, weil, na, weil es so ziemlich das komischste und jämmerlichste kleine Ding ist, das ich je zu Gesicht bekommen hab! Für mich ist das viel komischer als die alten Witzblätter, mit denen ich die Wände tapeziere! Und was meinen reichen alten Geldsack von Daddy angeht, na, der kann seine Farmen und seine schönen Häuser unter seinen anderen Kindern verteilen, die vor ihm niederknien und tun, was er sagt. Bis an ihr Lebensende wird er für sie denken und für sie essen und für sie atmen und für sie schlafen, und er wird die richtige Partie für sie finden und für sie ins Bett steigen, wird dafür sorgen, dass sie die Beine breitmachen, und ihnen alles zeigen. Und und und. Ach. Na gut. Sei still. Jemandem so ne saublöde Frage zu stellen. Ich stelle mir ganz andre Fragen, Fragen zu dir und zu uns, Tike. Wie lange noch werden wir in diesem Gefängnis eingesperrt sein?« Ihre Lippen berührten seinen Arm, der sie umfangen hielt.
    Die Sonne an der Südwand, vor der sie standen, war warm, und in der Hitze machte eine Sahnekanne ein lautes Geräusch. Auf dem Weg zum Stall muhten die durstigen Kühe. Unter den Dielen raschelten eine Henne und ein Hahn. Mehrere Schweine wälzten sich grunzend an ihren kühlen Plätzen unter dem Haus. In der Luft lag eine Schwingung, die an der Wand rüttelte, sodass unter einer Fensterbank hervor ein Fingerhutvoll pulvrigen Harzes und verrotteten Holzstaubs auf eine eiserne Sahnekanne rieselte. Als das Geräusch des fallenden Holzstaubs an ihre Ohren drang, bissen sie die Zähne zusammen und tauschten einen raschen Blick tödlichen Hasses. So fest pressten sie die Lippen gegen die Zähne, dass kein lebendiges Blut fließen konnte, und in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne malte sich auf ihren Gesichtern bleiche, kampfbereite Bitterkeit.

E lla May ging auf das Haus zu. Sie hielt den Kopf gesenkt und zog Tike an der Hand hinter sich her. Unter ihren Füßen sah sie lose Federn, feines gedroschenes Stroh und Grassamen, Weizenspelzen und Staub wehen. Sie lächelte, und auch er lächelte. Auf ihren Gesichtern lag ein Lächeln, das einen Schmerz verdeckte. Heute war die ganze Farm in Bewegung, und während sie so langsam dahingingen und nachdachten, mussten sie auf ihre Schritte achten. Beide hielten die Köpfe gesenkt, und in ihren Augen bewegte sich das Haus. Ein strahlender Tag. Ja. Bis nach Norden, über die eine Meile entfernte Route 66, über Ben Lomonds Schweineweiden, ein paar Meilen weit über die Weizenfelder aus feinem schwarzem Schlamm bis zu den Upper Plains im Norden, bis zum dunstigen Horizont der kohlschwarzen Pflanzen. Über alledem der blaue Himmel und die hellen Wolken eines schönen Tages. Und bis nach Süden, über Weizenfelder, flach wie ein Dielenboden, eben wie ein Zollstock, bis zu den Klippen des Caprock, die zu den sandigen Baumwollfarmen um Clarendon abfielen, war es ein klarer Tag.
    Tike und Ella May waren hundert, waren tausend Mal auf ungesattelten schnellen Ponys die Klippen des Caprock hinauf- und hinabgeritten. Bei jeder Witterung waren sie zu Fuß losgezogen und hatten die Canyons, Rinnen, Gräben und Schluchten durchwandert, heiße Meilen und kalte Meilen hinauf, hinab, hinein, hinaus,

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