Haus aus Erde
Reihe haben und es taut und die Sonne sich rausbequemt, aber es wäre ein Darlehen und so willkommen wie ein Geschenk.
In diesem Fall könnten ein paar »nachgedrehte Szenen« der Kreditgeber einen ziemlich trostlosen »Film« in einen guten verwandeln, vielleicht sogar in einen Endlosfilm.
Seit den späten 1930ern spielte Guthrie mit der Idee, eine Hymne auf die Überlebenden der Staubschüssel zu schreiben, mit Adobe als Leitmotiv. Weil John Steinbeck mit Früchte des Zorns über die Wanderung der Okies von Oklahoma und Texas nach Westen ihm, Guthrie, die Schau gestohlen hatte, beschloss er, sich auf seine Erfahrungen als Überlebender des Schwarzen Sonntags und des großen Schlammsturms zu konzentrieren. Außerdem fand er den Dialekt von Steinbecks entwurzelten Joads unrealistisch. Für Guthrie war lebensechte schlechte Grammatik wesentlich, um zu vermitteln, wie die Menschen im Westen wirklich redeten. Er war – wie Joel Chandler Harris, der Verfasser der Geschichten von Onkel Remus – ein ausgezeichneter Zuhörer. Haus aus Erde sollte weniger eine zugespitzte Dokumentation der meteorologischen Katastrophe werden als vielmehr die Dialekte der Texas-Okies authentisch wiedergeben. Wie alle Reporter konzentrierte Steinbeck sich auf die Staubzyklone, aber Guthrie wusste, dass die eisigen Winterstürme in West-Texas während der Staubschüssel-Ära auch seinen Leuten schwer zugesetzt hatten. Guthrie gestand Steinbeck zu, die Diaspora in Kalifornien meisterhaft dokumentiert zu haben. Er selbst dagegen wollte jenen tapferen und störrischen Seelen, die beschlossen hatten, im Panhandle in Texas zu bleiben, ein literarisches Denkmal setzen. Steinbeck lässt in Früchte des Zorns ganze Familien das Land von Milch und Honig suchen, Guthries Herz dagegen schlägt für jene unbeugsamen Dreck-und-Staub-Farmer, die in den Great Plains zurückblieben, um Bankern, Holzbaronen und der Agrarindustrie die Stirn zu bieten, die das schöne wilde Texas durch Überweidung, Kahlschlag, Tagebau und rücksichtslose Landwirtschaft geschändet hatten. Das ausgebeutete Land und die arbeitenden Menschen bekamen einen feuchten Dreck … nichts … zero … nada … zilch . (Eine Zeit lang benutzte Guthrie den nom de plume Alonzo Zilch.)
Während Guthries fünfundzwanzigjähriges Herz in Texas blieb, machten sich seine Füße bald auf in Richtung Kalifornien. Wie Tike Hamlin, die Hauptfigur in Haus aus Erde , ging Guthrie während des großen Schlamm-Schneesturms von 1937 auf dem Holzboden seiner Bruchbude in 408 South Russell Street, Pampa, auf und ab und suchte im dürregeplagten Elend der Depression nach einem Sinn. Er sah nur zwei Möglichkeiten der Rettung: entweder nach Kalifornien zu ziehen oder in Texas ein Haus aus Adobe zu bauen. Wenn die Protagonistin Ella May Hamlin ruft: »Warum muss es immer was geben, was einen umhaut? Warum is dieses Land voller Sachen, die man nich sehen kann, voller Sachen, die einen umhauen, umstoßen, umschmeißen und einem die letzte Hoffnung rauben?«, spürt der Leser Guthries tief sitzende Frustration. In der Hoffnung auf ein regelmäßiges Einkommen beschloss er, sein Glück in Kalifornien zu versuchen. Er kannte die alten Countrysongs der Carter Family und hatte selbstgeschriebene Songs wie »Ramblin’ Round« und »Blowing Down this Old Dusty Road« im Repertoire. Er war entschlossen, ein Folksänger zu werden, der etwas verändern würde.
Anfang 1937 – der genaue Zeitpunkt ist unbekannt, aber es war nach der Schneeschmelze – packte Guthrie seine Malutensilien zusammen, zog neue Saiten auf seine Gitarre auf und trampte auf einem Bierlaster nach Groom, Texas. Dort kletterte er aus dem Führerhaus, winkte zum Abschied und begann, die Route 66 (von Steinbeck die »Fluchtroute« genannt) Richtung Los Angeles entlangzuwandern. In jedem noch so kleinen Kaff bettelten Wanderarbeiter um Nahrung.
Die Probleme und Sorgen, mit denen sich Guthrie in Kalifornien konfrontiert sah, hatten fast etwas Biblisches. Wie alle anderen Wanderarbeiter auf der Route 66 auch war er ständig vom Hungertod bedroht. Hin und wieder versetzte er seine Gitarre, um Essen zu kaufen. Wie die Fotografin Dorothea Lange besuchte er Camps im kalifornischen San Joaquin Valley und sah entsetzt, wie viele Kinder dort an Unterernährung litten. Dann aber kam Guthries große Chance, er ergatterte einen Job beim Sender KFVD in Los Angeles und sang mit seiner Partnerin Maxine Crissman (»Lefty Lou from Mizzou«)
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