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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Neggers
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unterdrückte weitere Tränen.
    Eine tote Fledermaus. In ihrem Bett.
    Sie sah sich im Zimmer nach einem Gegenstand um, mit dem sie das Tier wegschaffen konnte. Wut und Entsetzen brannten in ihr. Jemand war in ihr Haus eingedrungen, die Treppe hinauf zu ihrem Schlafzimmer in den ersten Stock geschlichen und hatte ein totes Tier auf ihr Bett gelegt. Am liebsten hätte sie das ganze Mobiliar zertrümmert. Sämtliche Schubladen herausgezogen, die Lampen zerschlagen, die Türen zu Kleinholz getreten. Sie hatte sich so lange zurückgehalten, und jetzt wollte sie sich nicht länger beherrschen.
    Sie fand einen Tennisschläger in ihrem Schrank. Ein messerscharfer Schmerz durchbohrte ihre Brust. Tennis. Seit Colins Tod hatte sie nicht mehr gespielt.
    Sie griff nach dem Schläger. Damit würde sie die Fledermaus nehmen und durchs Fenster ins Gebüsch schleudern. Das war kein Beweisstück. Es war nur eine verdammte tote Fledermaus.
    Sie fuhr herum, den Schläger in der Hand.
    Sebastian stand hinter ihr, als hätte sie ihn herbeigezaubert. Er trat einen Schritt zurück. „Ganz ruhig.“
    „Hältst du nichts vom Anklopfen?“ Sie ließ den Schläger nicht sinken. „Du bist wie ein Geist. Ich will … ich will …“ Sie atmete einmal tief durch. „Ich will dich nicht hier haben.“
    „Ich habe dich schreien gehört.“ Seine Stimme klang fest und ruhig. Er war ein wenig nass vom Regen. „Ich habe durch die Hintertür gerufen. Als du nicht geantwortet hast, bin ich hineingegangen, um dich zu suchen.“
    „Auf meinem Bett liegt eine tote Fledermaus.“ Sie zeigte mit dem Tennisschläger darauf.
    „Das sehe ich. Wirklich nett.“
    „Fledermäuse fallen nicht einfach so auf Bettdecken.“
    Er gab keine Antwort. Natürlich war die Fledermaus nicht heruntergefallen oder hatte sich dort niedergelassen, um zu sterben.
    „Daisy hat die Decke selbst genäht“, erklärte Lucy. „Sie lag in einer alten Kiste auf dem Dachboden.“
    „Ich erinnere mich daran“, sagte er leise. Sein Blick wich nicht von ihr.
    Ihr Atem wurde wieder ruhiger. Ihre Beine zitterten, und sie wurde sich ihrer Erscheinung bewusst. Der schwarze Morgenmantel mit den Seidenrändern, ihr feuchtes Haar, die nackten Füße, die weißen Puderflecken an ihrem Hals. Sie hatte sie im Spiegel gesehen.
    Sebastian nahm ihr den Tennisschläger aus der Hand. Dabei berührte er flüchtig ihre Finger – und plötzlich geschah es. Sie umarmte ihn heftig, sein Mund fand ihre Lippen, und der Stoff ihres Morgenmantels war so dünn, dass sie das Gefühl hatte, nackt zu sein. Sein Körper war hart, muskulös, unnachgiebig. Begierde flammte in ihr auf, heiß, schmerzhaft, überwältigend. Es war so lang eher. So furchtbar lange.
    Dann stand sie mitten in ihrem Schlafzimmer, und Sebastian schaute aus dem Fenster. Einfach so.
    Lucy erholte sich schnell. Es musste an der toten Fledermaus liegen. Sie war schuld daran, dass sie ihre Selbstkontrolle verloren hatte. „Oh, mein Gott. Ich möchte nicht einmal mehr darüber nachdenken, was gerade passiert ist.“
    Er schaute sie an, und seine grauen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Für mich ist das ziemlich klar.“
    „Die einsame Witwe findet eine tote Fledermaus in ihrem Bett, und das Nächste, was sie macht – sie wirft sich dem Mann an den Hals, der sie retten will. Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
    Sebastian hob ihren Tennisschläger auf. „Dazu gehören immer zwei.“
    „Wozu? Zum Tennisspielen, die Fledermaus loszuwerden oder …“
    „Lucy.“
    Er hatte den Kuss gemeint. Natürlich. Was sie getan hatten, konnte man nur zu zweit tun. Er hatte sie nicht bedrängt. Sie hatte ihn auch nicht bedrängt.
    Sie stöhnte auf, während sie immer noch seinen Mund auf dem ihren spürte.
    „Ich bin total durcheinander. Kümmer dich nicht um die Fledermaus. Die werde ich schon alleine los.“
    „Ich kann sie mitnehmen, wenn ich gehe.“
    Er wollte also gehen. Gott sei Dank.
    „Kommst du zurecht?“ fragte er.
    Sie nickte. „Von wem auch immer dieses kleine Geschenk ist – er oder sie hat es nicht darauf abgesehen, die Kinder oder mich zu verletzen.“
    „Vielleicht noch nicht.“
    „Hast du draußen irgendetwas bemerkt?“
    Er schüttelte den Kopf. Falls er wütend auf sich war, weil er denjenigen, der die Fledermaus hier deponiert hatte, während der zwei Tage seines Aufenthalts nicht aufgespürt hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
    Lucy starrte auf das Tier. In der freien Natur hatte sie nichts gegen Fledermäuse.

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