Haus der Angst
verkauft. Es war eher sein Revier als ihres, egal, wessen Name im Grundbuch eingetragen war.
Lucy ging auf die Wiese hinaus. Hier fühlte sie sich freier als zwischen den Bäumen. „Und was ist es für ein Gefühl, wieder zurück zu sein?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte ganz vergessen, wie lästig Moskitos sind.“
Sie hängte sich das Fernglas um den Hals. „Ich habe dich nicht gebeten zu kommen.“
„Was hast du denn dann gewollt?“
„Du solltest mir nur sagen, dass ich nicht in Gefahr bin.“
Noch immer konnte sie in seinen Augen nicht lesen, was er wirklich dachte.
„Wie hätte ich das beurteilen können, ohne hierher zu kommen?“ fragte er.
„Instinkt und Erfahrung.“
„Mit anderen Worten, ich hätte dir all deine Sorgen nehmen sollen, während ich gemütlich in meiner Hängematte lag.“ Er sah sie eine Weile an und fügte dann leise hinzu: „Glaub mir, das wäre für uns beide besser gewesen.“
„Ich möchte nicht, dass du dir meinetwegen irgendwelche Umstände machst …“
„Zu spät.“
Lucy seufzte frustriert und trat den Rückweg über das Feld an. Sie machte große Schritte, um den Abstand zwischen sich und Sebastian Redwing so schnell wie möglich zu vergrößern.
Er sagte kein Wort. Er folgte ihr nicht nach.
Unvermittelt blieb sie stehen und drehte sich um. Er war nur wenige Meter hinter ihr. Groß und unbeweglich wie eine Eiche, so kam es ihr vor. Sie hatte ihn nicht gebeten, ihr zu folgen. „Du kannst ruhig wieder nach Wyoming fahren.“
„Ich kann tun, was ich will.“
„Du versuchst doch nur, mir Angst einzujagen. Vergiss es. Wir wohnen schon seit über drei Jahren hier, nur ich und meine Kinder. Mich kann nichts so leicht erschrecken.“
„Und was ist mit der Kugel, die durch dein Esszimmerfenster geflogen ist?“
„Das hat sich erledigt. Das war nichts. Ich habe mich geirrt.“
Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ja, vielleicht nein. Ist nichts mehr passiert, seitdem du aus Wyoming zurückgekommen bist?“
„Nein. Nichts.“ Sie runzelte die Stirn und fragte sich, ob sie weniger gereizt reagieren würde, wenn er nicht so verdammt ruhig gewesen wäre. Sie musste aufpassen, dass sie ihn nicht zu nahe an sich herankommen ließ. Normalerweise tat sie das nie mit Leuten, über die sie sich ärgerte. „Wann bist du denn angekommen?“
„Vor ein paar Tagen.“
Sie unterdrückte ihren Zorn. „Und wo wohnst du?“
„In einem Motel.“
„Also hattest du zwei Tage Zeit, um mir nachzuspionieren.“
Er lächelte. „Warum sollte ich dir nachspionieren? Du bist es doch nicht gewesen, die in dein Esszimmer gefeuert hat.“
Sie suchte nach den passenden Worten, um ihm mitzuteilen, was er ohnehin schon wusste, nämlich dass sie seine Absichten durchschaut hatte: „Sagen wir, du hast mich im Auge behalten.“
Er ging weiter. „Dein Leben ist ziemlich langweilig.“
Seinem Tonfall nach zu urteilen hatte sie also Recht gehabt.
„Für jemanden wie dich vielleicht.“ Sie marschierte hinter ihm her. Bei jedem ihrer wütenden Schritte schaukelte das Fernglas heftig vor ihrer Brust hin und her. „Bist du mir auch gefolgt, als ich mit dem Kanu unterwegs war?“
„Nein. Da hab ich hier rumgesessen und zugesehen, wie die Murmeltiere in deinem Garten herumgetobt haben.“
„Das glaube ich nicht.“
Er drehte sich zu ihr um. „Kontrollier deine Bohnensträucher. Dann wirst du’s schon merken.“
Sie wurde wütend. „Ich brauche keinen Leibwächter.“
„Das trifft sich gut, denn ich bin kein guter Leibwächter. Ich habe nur mal die allgemeine Situation überprüft. Lucy geht zur Arbeit. Lucy pflückt Bohnen. Lucy kümmert sich um die Kinder. Lucy geht einkaufen. Lucy trinkt ein Glas Wein auf ihrer Veranda. Lucy macht eine Kanutour.“ Er gähnte. „Das war’s auch schon.“
„Immer noch besser, als den ganzen Tag in einer Hängematte herumzuliegen.“
„Zweifellos.“
Sie war so wütend, dass sie ihn hätte ohrfeigen können. Aus der Ferne kam ein Donnergrollen. Der Himmel verdunkelte sich. Der Wind wurde stärker. Sie riss sich zusammen. Sie wollte nicht hier draußen mit ihm allein sein, wenn das Unwetter begann. „Fahr zurück nach Wyoming. Wenn ich dich noch mal auf meinem Grundstück erwische, verständige ich die Polizei.“
„Die werden mich nicht festnehmen.“
„Und ob …“
„Ich bin Daisy Wheatons Enkel. Ich werde ihnen sagen, dass ich das Haus meiner Vorfahren besuche. Und dann werden sie wahrscheinlich mir zu
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