Haus der Angst
dass sie Recht behalten hatte. Sie hatte gewusst, dass sie etwas in Lucys Nähe finden würde. Es war das letzte Gebäude auf dem Waldweg und lag oberhalb des Hauses dieser dummen Gans. Barbara hatte es vom Fleck weg gemietet. Jack würde zufrieden mit ihr sein.
Das Haus hatte zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit einem Kamin, eine komplett eingerichtete Küche, ein Arbeitszimmer und sehr viele Fenster. Auf der Veranda bot ein Dach vor Regen und ein Fliegengitter vor Moskitos Schutz. Die Zimmer waren mit modernen Möbel im Landhausstil eingerichtet, und wenn es nötig sein sollte, konnte man hier sogar eine Pressekonferenz abhalten. Nur an der Landschaft hätte man ein wenig ändern müssen – für Barbaras Geschmack gab es zu viel Wald.
Zwischen den hoch gewachsenen Schierlingstannen und Kiefern hindurch konnte man den Fluss sehen. Das klare, eiskalte Wasser schoss über silbergraue Felsen. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf das unablässig gurgelnde Geräusch des Wassers. Ein leichte Brise umwehte ihr Gesicht.
Darren weiß nicht, dass ich hier bin. Müsste ich es ihm nicht sagen?
Sie empfand den Gedanken wie einen unwillkommenen Eindringling. Fast schien es ihr, als hätte er ihn ihr geschickt, als sie sich gerade ein wenig entspannte und zu vergessen versuchte, dass sie mit einem gefährlichen Mann gemeinsame Sache machte. Sie wollten einen Senator erpressen – den Mann, den sie seit zwanzig Jahren liebte.
Wenn Darren nun hier draußen im Wald war und ihr nachspionierte?
Ein Schauder durchfuhr sie. Er konnte unmöglich wissen, dass sie schon seit Jahren besessen war von ihren Hassgefühlen gegenüber Lucy. Denn wenn er es gewusst hätte, dann hätte er sie vermutlich schon längst umgebracht.
„Du machst deinen Job, und ich mache meinen“, hatte er sie angewiesen. „Wenn du das vermasselst, ziehe ich dich dafür zur Verantwortung.“
Sie hatte vorgehabt, Lucy in Ruhe zu lassen. Aber sie hatte es nicht getan. Sie konnte einfach nicht – und sie verstand nicht, warum. Sie war eine Frau von großer Stärke und Willenskraft. Sie war weder töricht noch wankelmütig. Es fehlte ihr nicht an Selbstdisziplin.
Barbara ließ sich in einen wuchtigen Holzsessel fallen. Lucy war schuld daran, dass sie überhaupt hier war. Wäre die Frau in Washington geblieben, wo sie hingehörte, dann hätte Jack sie, seine persönliche Assistentin, nicht nach Vermont schicken müssen, um ein Haus zu mieten, damit er seine Enkelkinder sehen konnte. Sie wäre nicht in Versuchung gekommen, eine tote Fledermaus auf das Bett dieses undankbaren Miststücks von Schwiegertochter zu deponieren. Vielleicht wären sie und Lucy sogar Freundinnen geworden.
Ihr Handy klingelte.
„Das Geld liegt auf der Bank“, meldete Darren sich ohne weitere Umschweife. „Wir sind unterwegs. Wie ist es denn so in Vermont?“
„Woher weißt du, dass ich …“
„Barbara!“
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Jack hat mich hierhin geschickt. Ich soll für ihn ein Haus mieten. Während der Kongressferien will er ein paar Tage mit Lucy und seinen Enkelkindern verbringen.“
„Schon merkwürdig, auf welche Ideen solche Typen kommen, wenn sie erpresst werden.“
„Er hat vorgeschlagen, dass ich ein oder zwei Tage bleibe.“
„Aber klar doch. Hör zu, Barbie. Spürst du nicht die Schlinge um deinen Hals? Er will dich um die Ecke bringen. Du wirst nicht einmal merken, wie dir geschieht.“ Darren lachte. „Jetzt wünschst du dir bestimmt, dass du dich ihm nicht an den Hals geworfen hättest, was?“
„Du bist widerlich. Jack will mich nicht um die Ecke bringen.“ Sie rief sich eine ihrer Charakterstärken ins Gedächtnis – niemand würde sie einschüchtern. „Ich möchte nicht, dass du mich noch mal anrufst.“
„Scheiß drauf, was du möchtest, Barbie. Pass bloß auf, dass du keine Probleme kriegst. Ich melde mich wieder.“
Er unterbrach die Verbindung.
Barbara ließ das Handy in ihre Einkaufstasche fallen. Mit Darren Mowery würde sie schon fertig werden. Es gefiel ihm, seine Spielchen mit ihr zu spielen, nur um ihr zu zeigen, wie clever er war. Aber sie war cleverer …
„Barbara? Sie sind es ja tatsächlich.“ Unvermittelt war Madison Swift aufgetaucht. Sie kam vom steil abfallenden Flussufer zu ihr hinübergelaufen. „Ich kann es nicht glauben! Meine Freundin Cindy hat mir gesagt, dass ihre Mutter jemandem aus Washington das Haus gezeigt hat, und ich habe gehofft …“ Das Mädchen lachte
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