Haus der Angst
Ehren einen Grillabend veranstalten, zu dem das ganze Dorf eingeladen wird.“
Sie starrte ihn an. „Bist du schon immer so ein Idiot gewesen?“
Er grinste. „Inzwischen bin ich viel schlimmer, als ich mal war. Hat Plato dir das nicht gesagt?“ Er zwinkerte. Ihre Reaktionen und Antworten schienen ihm vollkommen egal zu sein. „Bis bald, Lucy Blacker.“
Lucy hatte das Wasser in der Dusche so heiß gestellt, wie sie es gerade noch ertragen konnte. Sie seifte sich mit einem nach Lavendel duftenden Gel ein, das von einem Kräuterhändler im Dorf stammte. Lucy war davon überzeugt, dass er nicht mit Sebastian Redwing verwandt war.
Daisy Wheaton hätte ihren Besitz dem Naturschutzbund vermachen sollen, anstatt ihn ihrem missratenen Enkel zu vererben.
Aber dann wäre ich nicht hier, fiel ihr ein.
Vielleicht wäre sie dann mit ihren Eltern nach Costa Rica gezogen oder in Washington geblieben – und hätte ihren Schwiegervater glücklich gemacht.
Colin hatte jedenfalls nie behauptet, dass Sebastian ein Gentleman war oder auch nur ein einigermaßen verträglicher Typ. Er hatte ihr bloß gesagt, dass er ihm vertraute. Und dass sie sich an ihn wenden konnte, wenn sie Hilfe brauchte. Das war ganz offensichtlich ein Fehler, aber Colin hatte das ja nicht ahnen können.
Sie trocknete sich mit ihrem größten und flauschigsten Handtuch ab und wählte einen Kräuterpuder, der zum Duschgel passte. Das Gewitter war vorbei, aber sie konnte immer noch den Donner hören, der jetzt aus östlicher Richtung kam. Die Luft hatte sich abgekühlt und war nicht mehr so feucht. Sie war wieder ruhiger geworden.
Das Treffen mit Sebastian hatte sie ermüdet und ausgelaugt. Aber ihre Unterhaltung hatte sie mehr angeregt, als sie sich eingestehen wollte.
Sie schob diesen unangenehmen Gedanken beiseite und schlüpfte in einen Morgenmantel, den sie für einen Spottpreis in einem Outlet-Center in Manchester gekauft hatte. Schwarzer Satin, mit schwarzer Seide abgesetzt. Ganz schön luxuriös. Sie nahm sich vor, noch so lange im Bett zu lesen, bis Madison aus dem Kino zurückkam.
Gerade wollte sie das Badezimmer verlassen, als sie aus den Augenwinkeln ihr Bild in dem Spiegel über dem antiken Waschbecken erblickte. Abrupt blieb sie stehen. Sie drehte sich um und sah die Frau in dem schwarzen Satin-Morgenmantel genau an. Seit Colin tot war, hatte sie sich gar nicht mehr als Frau gesehen. Sie war Mutter, Unternehmerin, Witwe – ein Individuum, das sein Leben nach einer plötzlichen Tragödie allmählich wieder in den Griff bekommen musste. Aber als eine Frau, die begehrenswert war, die ihrerseits einen Mann begehrte – nein. Nicht noch einmal. Nicht nach Colin und dem brennenden Schmerz, den sie durchlitten hatte. Es spielte keine Rolle, dass sie erst achtunddreißig war.
„Meine Güte“, sagte sie fast atemlos, „wie konnte das nur passieren?“
Es hatte nichts damit zu tun, dass sie vom Baum heruntergesprungen und Sebastian vor den Füßen gelandet war. Seinen Arm um ihre Taille gespürt hatte. Sie müsste ja verrückt sein, wenn sie sich von ihm angezogen fühlte. Ihre Vernunft, ihr Kopf, ihr gesunder Menschenverstand hatten ihr über die Höhen und Tiefen der vergangenen drei Jahre hinweggeholfen. Das alles würde sie jetzt doch nicht einfach über Bord werfen – nur wegen einer flüchtigen Berührung.
Sie ging in ihr Schlafzimmer.
Sofort sah sie den schwarzen Fleck mitten auf ihrem Bett. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, und ihre Knie wurden weich.
Nein.
Sie trat näher. Es bewegte sich nicht. Es schien echt zu sein. Es war weder aus Plastik noch aus Gummi und auch keines von J. T.s Ekel erregenden Spielzeugen.
Sie bemerkte die aufgeraute Oberfläche der Haut und Stellen, an denen Fell war. Flügel.
Eine Fledermaus.
Ihr Magen drehte sich um. Lebte sie noch?
Sie zog an der Bettdecke. Die Fledermaus bewegte sich nicht.
Augenblicklich schlug der Horror wie eine Welle wieder über ihr zusammen. Sie konnte ihre Gefühle nicht unter Kontrolle halten. Madison und J. T. waren nicht da, also brauchte sie sich auch nicht zusammenzureißen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und schrie vor Wut, Ekel und Schreck. „Verdammt, verdammt, verdammt. Wer immer du bist, ich tue dir nicht den Gefallen, wahnsinnig zu werden. Jetzt nicht und niemals.“ Sie wischte die Tränen weg und holte tief Luft. Keiner konnte sie hören. Sie war allein. „Verflucht noch mal. Ich habe keine Angst.“
Sie verschluckte sich, hustete und
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