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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Neggers
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voller Blüte, und er trug ihre Handschrift. Und trotzdem hatte sie immer noch das Gefühl, dass es Daisys Garten war. Eine junge Witwe war einer alten Witwe gefolgt.
    Ob es das war, was Sebastian gerade dachte?
    Plötzlich hatte Lucy das Gefühl, dass ihr die Luft wegblieb. Sie wusste, dass er sie genau beobachtete und ihre Gedanken zu erraten versuchte. Vielleicht sogar erfolgreich.
    Sie wandte sich wieder zu ihm. „Ist Daisy eigentlich jemals wieder zu den Wasserfällen gegangen?“
    Sie konnte ihm ansehen, dass er wusste, worauf sie hinauswollte. Er zeigte keine ungewöhnliche Reaktion; er schien nur tiefer in sich selbst zu versinken. Das hatte ihn wohl seine Erfahrung gelehrt – die Kontrolle zu bewahren, seine Gefühle zu verbergen, andere nur das sehen zu lassen, was er freiwillig preisgab. Die vergangenen drei Jahre hatten sie Ähnliches gelehrt.
    Er schüttelte den Kopf. „Nein. Nie mehr.“
    „Macht es dir nichts aus, die Wasserfälle zu besuchen?“
    „Mein Großvater ist lange vor meiner Geburt verunglückt. Daisy wollte nie, dass ich dort hinaufging, aber sie hat mich auch nicht zurückgehalten. Nur im Winter.“ Seine ungewöhnlich grauen Augen blickten sie durchdringend an.
    Wenn er auch ihre Gedanken lesen und bis in ihre Seele vordringen konnte, so hatte sie doch nicht die geringste Ahnung, wie sie ihrerseits seine Gedanken lesen und in seine Seele eindringen konnte. Allerdings war sie sich auch gar nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte.
    In unergründlichem Tonfall fügte er hinzu: „Es ist ein wunderschöner Flecken.“
    „Dann warst du gestern also nicht unaufmerksam?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Doch. Ich war unaufmerksam.“
    „Und?
    „Und was?“
    Sie seufzte. „Du weißt ganz genau, was ich meine.“
    „Worauf willst du hinaus, Lucy? Was spukt dir im Kopf herum?“
    „Du bist nicht wegen mir hierher gekommen.“ Sie redete, ohne darüber nachzudenken, was sie sagte. Denn sie hatte jetzt genug. Sie trat einen Schritt näher zu seiner Decke. Sie wusste, dass ihr Gefühl sie nicht trog. „Es gab noch einen anderen Grund.“
    „Zum Beispiel?“
    Der Mann konnte einen wahnsinnig machen. „Warum sollte ich raten, wenn du es mir doch einfach sagen könntest?“
    Er lächelte fast unmerklich. „Ich weiß es nicht. Aber ich möchte gern mal sehen, wie weit hergeholt deine Vermutungen sind.“
    „Heißt das, du bist tatsächlich aus einem anderen Grund hier?“
    „Du machst dir zu viele Gedanken.“
    Nach dieser Antwort konnte sie erst einmal überhaupt nicht mehr denken. Sie wartete noch ein paar Sekunden, aber er blieb stumm. Lucy legte die Arme über der Brust zusammen und zögerte einen Moment. „Gut. In Ordnung. Dann sag ich dir mal, wie es ist. Von jetzt an wirst du mir immer erzählen, wo du bist, was du tust, was du weißt und was du vorhast. Das ist mein Haus, meine Stadt, meine Familie –
mein
Leben. Verstanden?“
    „Aber klar, Lucy.“ Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und legte sich wieder hin. Er schloss die Augen und gähnte, während er es sich so bequem wie möglich machte. „Übrigens, dein Sohn schummelt beim Damespielen. Wenn Georgie das rauskriegt, wird der Teufel los sein.“

9. KAPITEL
    S idney legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte Jack sanft in seinen Gartenstuhl zurück. „Du ruhst dich aus“, befahl sie. „Und ich mixe uns die Martinis.“
    Er blickte hoch und lächelte ihr zu. Der frische Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, als sie so dicht hinter ihm stand. Sie war bildhübsch und eine Seele von Mensch. „Du brauchst mich nicht zu bedienen.“
    „Ich bediene dich auch nicht.“ Lachend ging sie in Richtung Küche. „Ich will nur deine Stimmung heben. Du hast genau eine Chance – nämlich einen Martini –, dann verschwinde ich, und du kannst in Selbstmitleid versinken.“
    Kurz darauf hörte Jack sie summen und mit Gläsern hantieren. Tränen traten ihm in die Augen. Sie war so fürsorglich. Intelligent und anständig. Sie ruhte in sich selbst. Er wünschte, er hätte den Mut, ihr von Darren und der Erpressung zu erzählen. Die Sache mit Colin. Wie er über Lucy geschimpft hatte, weil sie in Vermont lebte – als ob sie schuld sei an der Erpressung und an seiner Einsamkeit.
    Aber er konnte es nicht über sich bringen, überhaupt jemandem davon zu berichten. Er befürchtete nämlich, dass die Affäre in dem Moment, wo er sie in Worte fasste, erst recht Realität werden würde und nicht mehr aus der

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