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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Neggers
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eine Erklärung zu verlangen. Aber ihr gesunder Menschenverstand hatte sie davon abgehalten, und heute Morgen waren ihr ihre Vermutungen doch ein wenig weit hergeholt erschienen. Nicht, dass Sebastian Informationen für sich behalten würde, sondern dass er überhaupt etwas zu verschweigen hatte. Konnte er denn überhaupt etwas wissen, das sie betraf? Bestimmt nichts Unangenehmes und sicher keine Dinge, an die er gewohnt war: Morde, Bombenterror, Entführungen, Erpressungen. Hier war doch nur jemand am Werk, der ihr einen Schrecken einjagen wollte.
    Lucy hörte auf, sich mit solchen Fragen zu quälen. Sie ging ins Badezimmer, um sein Rasierzeug zu holen. Sie erschrak, als ihr plötzlich klar wurde, wie intim die Aufgabe war, die sie hier erledigte. Sebastian musste doch wissen, was sie erwartete. Aber vielleicht war er noch gar nicht in der Lage, sich darüber Gedanken zu machen.
    „Dazu ist Sebastian immer in der Lage“, sagte sie laut zu sich selbst.
    Das war ja schließlich sein Job. Immer auf der Hut zu sein, immer im Dienst. Sogar nachdem er den Wasserfall hinabgestürzt war.
    Sie wünschte sich, ihre Freunde in Washington anrufen zu können, um den neuesten Klatsch über ihn zu erfahren. Was wussten sie über sein „Forschungssemester“? Welche Gerüchte über ihn machten die Runde? Aber sie traute sich nicht, denn ihre Fragen gäbe ihnen möglicherweise Anlass zum Gerede, und das wiederum könnte Jack zu Ohren kommen.
    Sie verstaute alle Sachen in ihrem Wagen und ging zu dem kleinen Gebäude, in dem die Rezeption war. Dort saß eine Frau Mitte sechzig, die sehr nüchtern wirkte. Sie wäre ihr kaum eine Hilfe gewesen, wenn ein Ganove unter Sebastians Bett gelegen hätte.
    Die Frau beklagte sich über ihr schmerzendes Knie, während sie in den handschriftlich ausgefüllten Karteikarten nach der Rechnung suchte. „Ich habe die Verletzung, seitdem ich im vergangenen Winter bei meiner Mutter die Dachwohnung ausgeräumt habe. Da war sie schon ein Jahr tot, aber ich konnte es einfach nicht über mich bringen, es zu tun.“ Sie hatte die Karte gefunden, legte sie auf die Theke und rückte die Lesebrille zurecht. „Der Motelbesitzer redet dauernd davon, einen Computer anzuschaffen, ich sehe jedoch nicht ein, warum. Na, wen haben wir denn hier? Sebastian Redwing. Daisy Wheatons Enkel?“
    „Richtig“, sagte Lucy. „Sie kennen ihn?“
    „Nur, als er noch ein Junge war. Ich wüsste nicht, ob ich ihn jetzt noch wiedererkennen würde. Er lebte bei Daisy, nachdem seine Eltern umgekommen waren. Es war schrecklich, einfach schrecklich. Ich werde es nie vergessen. Die Frau hat ihren Ehemann und ihr einziges Kind überlebt.“ Sie schauderte. „Ich war noch ein kleines Mädchen und habe gar nicht so recht mitbekommen, wie Joshua Wheaton gestorben ist. Trotzdem habe ich seitdem Angst vor den Wasserfällen. Ich bin nicht ein einziges Mal beim Joshua-Wasserfall gewesen.“
    „Wirklich nicht? Sie sind aber wirklich sehenswert.“
    Missbilligend verzog sie den Mund. „Ich fand es makaber, die Fälle nach ihm zu benennen. Wenn ich von einem Lastwagen überfahren würde, möchte ich ja auch nicht, dass der Wagen nach mir benannt wird.“
    Lucy musste lächeln. „Ich denke, man wollte ihm damit eine Ehre erweisen, weil er einen kleinen Jungen vorm Ertrinken gerettet hat.“
    „Er war verantwortungslos. Er hat nicht an seine Frau und nicht an sein kleines Mädchen gedacht.“
    „Schon möglich, doch in einer solchen Situation – ich weiß nicht, aber ich glaube, es wäre sehr schwer, nicht zu versuchen zu helfen. Vermutlich glaubte Joshua, das Risiko einschätzen zu können. Man kann schließlich nicht einfach tatenlos zusehen, wie ein kleiner Junge ertrinkt. Andererseits darf man natürlich auch nicht unüberlegt handeln. Das wäre Selbstmord.“
    Die Motelangestellte nickte grimmig. „Die Leute sagten jedenfalls, Joshua habe gewusst, was er tat. Na ja, es ist eben so eine Sache. Die Umstände waren schwieriger, als er erwartet hatte, aber irgendwie war er in Zugzwang geraten und wollte wohl auch keinen Rückzieher machen.“
    „Ja“, sagte Lucy zerstreut, während sie sich fragte, ob das nicht auch auf ihre Situation zutraf, was Sebastian anging. In Zugzwang geraten und keinen Rückzieher mehr machen können.
    „Na ja, auf jeden Fall war es eine sehr traurige Geschichte. Mutter hat gesagt, dass Daisy nie wirklich über Joshuas Tod hinweggekommen ist.“
    „Sie waren befreundet?“ fragte Lucy. Sie wollte mehr

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