Haus der Angst
Welt zu schaffen wäre. Vermutlich wollte er sich nicht mit der Wirklichkeit auseinander setzen, wie die Seelenklempner sagen würden. Doch je länger er schwieg, umso mehr wurde er innerlich davon zerfressen. So allein gelassen und auf sich selbst gestellt hatte er sich nicht mehr gefühlt seit dem Tag, als er neben der Leiche seines Sohnes gestanden hatte – und so schrecklich hilflos.
Sidney machte seine Arbeit dafür verantwortlich. Sein Kalender war voll gepfropft mit Terminen und Meetings, die er noch in letzter Minute vor den Augustferien erledigen musste. Er hatte alle Taktiken, die er kannte und die ethisch vertretbar waren, angewendet, um Unterstützung für Gesetze zu bekommen, für die er und zwei weitere Senatoren sich einsetzten.
Dass es so enden musste, dachte er verbittert. Er versuchte, optimistisch zu bleiben. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Darren Mowery seine Erpressungen beenden würde, ohne ihn vollkommen auszuquetschen oder von ihm zu verlangen, seinen Amtseid zu verletzen. Wenn er noch öfter Beträge von zehn- oder zwanzigtausend Dollar besorgen müsste, würde es nicht mehr lange dauern, bis jemand – ein Bankkassierer, sein Buchhalter – etwas merkte und das Gerede begann. Gerüchte würden verstreut werden, und man würde ihm Fragen stellen. Welche Geheimnisse verbarg Senator Swift? Seine politischen Gegner wären sofort alarmiert. Die Medien würden sich gegenseitig in ihrer Rolle als Wachhund zu übertreffen versuchen. Tatsachen würden vermengt werden mit Klatsch und böswilligen Unterstellungen, und durch ein paar gezielte Schachzüge könnte seine politische Karriere ein abruptes Ende finden.
Wobei das noch immer das kleinere Übel war. Das Schlimmste wäre, wenn Mowery von ihm verlangte, sich über seinen Amtseid hinwegzusetzen und die moralischen Maßstäbe zu missachten, die er sein ganzes Berufsleben lang auch den Ärmsten der Armen als Richtschnur vermittelt hatte und die für ihn bereits verbindlich gewesen waren, als er noch nicht im Staatsdienst tätig war. Nicht auszudenken, was dann geschehen würde.
Er war allein auf sich gestellt. Sebastian Redwing hatte nicht zurückgerufen. Inzwischen wünschte Jack sich, dem Impuls widerstanden zu haben, mit der Firma Redwing in Kontakt zu treten. Plato hatte ihn gewarnt, dass Sebastian sich vermutlich nicht bei ihm melden würde, wenn er nicht bereit wäre, mehr zu erzählen. „Rufen Sie mich noch einmal an, wenn Sie über Einzelheiten reden möchten“, hatte Plato gesagt. „Ich werde es ihm ausrichten.“
Er hatte sich geweigert, ihm mitzuteilen, wo Sebastian war oder seinen Anruf zu ihm weiterzuleiten. Schließlich hatte Jack frustriert den Hörer aufgelegt. Zugeben zu müssen, das Opfer einer Erpressung zu sein, hatte ihn körperlich krank gemacht. Was hätte es gebracht, über Einzelheiten zu reden? Es war Mowery. Sebastian kannte Mowerys Taktik, und er war mit Colin befreundet gewesen. Die beste Lösung wäre, den Mistkerl erledigen zu lassen und sich nicht um die schmutzigen Details zu kümmern.
Und jetzt saß er hier und wartete.
Sidney kam mit zwei Martinis aus der Küche. Jack lächelte. „Ich kümmere mich um die nächste Runde.“
„Prima.“ Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und nahm einen Schluck von ihrem Drink. „Fantastisch, wenn ich das selbst mal so sagen darf.“ Sie erhob das Glas in seine Richtung. „Auf die Liebe, auf die Freundschaft, auf den Senator der Vereinigten Staaten, und dass er heil aus dieser Stadt herauskommen möge.“
Jack lachte. „Amen.“ Er musste ihr Recht geben: Der Martini war wirklich vorzüglich. „Stell dir vor, in ein paar Tagen werden wir auf einer Terrasse in Vermont sitzen, Martinis trinken und nichts als Bäume sehen.“
Ihre dunklen Augen blitzten. „Wir?“
„Du kannst dich doch wenigstens für eine Woche freimachen, oder nicht?“
„Ja, aber …“ Sie stellte ihr Glas auf den Tisch. „Mir ist zwar klar, dass Lucy von unserer Freundschaft weiß, aber du und sie und deine Enkelkinder – ich meine, in den vergangenen drei Jahren wart ihr fünf doch immer unter euch.“
„Lucys Eltern …“
„… sind in Costa Rica. Ich weiß, ich habe sie ja im Januar besucht. Aber du bist Colins Vater. Du bist die einzige Verbindung zu ihm – und sie sind die einzigen Familienmitglieder, die du hast.“
„Sie leben jetzt in Vermont“, sagte Jack und erschrak, als er merkte, wie bitter er klang. „Es ist durchaus nicht so, dass wir fünf in den
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