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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Neggers
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über Daisy Wheaton erfahren, die so sehr zu einem Teil ihres eigenen Lebens geworden war. Aber sie hatte bei den Leuten im Ort nie genauer nachgefragt, weil sie befürchtete, man würde sie für neugierig halten und ihre Nase in Dinge stecken, die eine Dorfbewohnerin, eine von ihnen also, betrafen. Sebastian zu befragen war ihr ebenfalls nie in den Sinn gekommen.
    „Sie waren zusammen im Handarbeitskreis, wo sie Steppdecken genäht haben.“ Die ältere Frau seufzte wehmütig. Tränen traten ihr in die Augen. „Aber das ist schon eine Ewigkeit her. Mutter war zweiundneunzig, als sie starb.“
    Und ihre Tochter vermisst sie, dachte Lucy gerührt. Ob ihre eigenen Kinder ihren Vater noch vermissen würden, wenn sie erst einmal in ihren Sechzigern waren – nach all den Jahren ohne ihn? Auf jeden Fall würden sie an ihn denken und sich an ihn erinnern. Dessen war sie sich gewiss.
    „Was haben Sie mit ihren Steppdecken gemacht?“ fragte Lucy unvermittelt.
    „Ich habe sie natürlich aufbewahrt. Jedes meiner Kinder und meiner Enkelkinder hat eine bekommen. Was hätte ich sonst damit machen sollen?“
    Zusammen mit der Wohnung verkaufen, dachte Lucy. Das jedenfalls hatte Sebastian getan. Sie glaubte nicht, dass er auch nur eine einzige von Daisys kunstvollen Quilts aufbewahrt hatte.
    Vielleicht hatten ihn all die Erinnerungen und Tragödien, die mit Vermont und besonders den Joshua-Wasserfällen zusammenhingen, so gefangen genommen, dass er von dem Erdrutsch vollkommen überrascht worden war. Vielleicht war es ja doch nur ein Unfall gewesen. Auf seine Aussage konnte man sich unter diesen Umständen sicherlich nicht hundertprozentig verlassen.
    Lucy zahlte seine Motelrechnung und bedankte sich bei der alten Dame. „Ich bin übrigens Lucy Swift. Ich habe Daisy Wheatons Haus vor ein paar Jahren von ihrem Enkel gekauft.“
    „Ach ja, ich habe von Ihnen gehört. Sie haben doch diese Agentur für Abenteuerreisen, nicht wahr?“
    „Stimmt. Vielleicht kommen Sie mich eines Tages mal besuchen? Mit dem Haus habe ich nämlich auch alle von Daisys Quilts gekauft. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir darüber einiges erzählen könnten.“
    „Das mache ich gerne. Ich bin übrigens Eileen – Eileen O’Reilly. Ich werde Sie irgendwann mal beim Wort nehmen.“
    „Hoffentlich bald.“
    Lucy fuhr sofort nach Hause zurück. Als sie in ihre Einfahrt einbog, blieb sie neben dem Briefkasten stehen und schaute hinunter zum Joshua-Fluss. Hier zog er breit und ruhig vorbei; und sein Wasser war glasklar. Gemächlich, wunderschön. An warmen Nachmittagen saß sie gerne auf einem Felsen und schaute auf das Wasser zu ihren Füßen. Es war immer kalt, und selbst während einer sommerlichen Dürreperiode war das Flussbett noch nie vollkommen ausgetrocknet gewesen.
    Und doch hatte dasselbe Wasser weiter flussaufwärts Joshua Wheaton das Leben gekostet und seine Frau zur Witwe gemacht. Witwe Daisy.
    Witwe Swift, dachte Lucy wieder.
    Später verstaute sie Sebastians Sachen in ihrem Schlafzimmer und machte sich auf die Suche nach Sebastian. Er hatte sich im Garten hinter dem Haus im Schatten eines alten Apfelbaumes auf einer Decke ausgestreckt. J. T. und Georgie saßen ebenfalls auf der Decke und spielten eine Partie Dame. Lucy vertrieb jeden Gedanken an Sebastians Motelzimmer aus ihrem Kopf.
    „Jungs“, sagte sie, „würdet ihr mir bitte etwas Kaltes zu trinken besorgen?“
    „Können wir auch etwas haben?“ fragte J. T.
    „Klar.“
    „Milk Shakes?
    „Nein, jetzt nicht. Nehmt doch einfach, was im Kühlschrank ist.“
    Sie liefen ins Haus. Sebastians Blick ruhte auf ihr. Er hatte sich ein paar Kissen unter den Kopf gestopft. „Madison ist in der Scheune. Sie ist sauer auf mich. Jetzt sagt sie, dass ich wie Humphrey Bogart in
African Queen
aussehe.“ Er zwinkerte Lucy zu. „Was glaubst du – bin ich eher Bogie als Eastwood?“
    „Ich glaube, meine Tochter hat eine sehr lebhafte Fantasie.“
    Er setzte sich auf und zuckte zusammen. Im hellen Tageslicht konnte sie erkennen, dass seine Verletzungen zwar unangenehm und schmerzhaft, aber nicht tief waren und schnell verheilen würden. Seine Augen verengten sich, und sie hatte wieder das Gefühl, dass er in ihre Seele blicken konnte.
    „Was geht dir durch den Kopf, Lucy Blacker?“
    Seit er sie kannte, hatte er sie immer Lucy Blacker genannt. „Nichts.“
    Sie merkte, wie sich ihre Gedanken überstürzten, und riss sich zusammen. Sie schaute in den Garten. Er war prachtvoll und stand in

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