Haus der Angst
muss auch nicht
alles
wissen. Aber wenn du dich morgens um fünf aus dem Haus schleichst, nachdem ich dich ausdrücklich gebeten hatte …“
„Du hattest überhaupt keinen Grund, dir Sorgen zu machen!“ Wütend warf Madison ihr Kissen auf den Boden. Sie saß auf ihrem Bett und machte den Eindruck, als ob die ganze Welt sie missverstehen würde. „Ich weiß gar nicht, was du willst. Wenn du ein eigenes Leben hättest, dann würdest du mich vielleicht in Ruhe lassen.“ Im selben Moment wurde sie sich ihrer Worte bewusst und hielt den Atem an. „Mom, es tut mir Leid. Ich habe es nicht so gemeint.“
Lucy blieb ruhig, obwohl die Bemerkung ihrer Tochter sie tief getroffen hatte. „Madison, ich habe ein eigenes Leben. Ich habe meine Arbeit, ich habe dich und J. T., ich habe Freunde und Hobbys, die mir Spaß machen. Ich wohne gerne hier. Aber ob ich nun ein eigenes Leben habe oder nicht, hat dich überhaupt nicht zu interessieren. Ich muss selbst dafür sorgen, dass ich glücklich bin, nicht du und auch nicht J. T.“
„Ich meinte bloß … ich möchte einfach nicht, dass du wegen uns alles aufgibst. Wir wollen dich nicht daran hindern …“ Sie beendete den Satz nicht.
„Ihr hindert mich überhaupt nicht an irgendetwas.“
Madison reckte trotzig das Kinn vor. „Warum kann ich dann nicht für ein halbes Jahr in Washington zur Schule gehen?“
Lucy lächelte. Ihre Tochter ließ wirklich keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen. „Dein Bruder würde dich vermissen.“
„Das stimmt überhaupt nicht.“ Madison schleuderte ein zweites Kissen zur Tür, wo ihr kleiner Bruder stand und sie belauscht hatte. „
J. T.!“
„J. T.“, sagte auch Lucy und warf ihm einen warnenden Blick zu. Er hatte aber offenbar überhaupt kein schlechtes Gewissen, denn er rannte lachend die Treppe hinunter. Sie wandte sich wieder zu Madison. „Dir bleibt noch so viel Zeit für Washington. Jetzt möchte ich erst mal, dass du darüber nachdenkst, was es bedeutet, vertrauenswürdig zu sein. Wenn ich dir nämlich hier zu Hause schon nicht vertrauen kann, wie soll ich es dann tun, wenn du allein in Washington oder anderswo bist?“
„Großvater ist doch da …“
„Er hat sehr viel zu tun, Madison. Er wird nicht darauf Acht geben können, ob du heimlich verschwindest. Zuerst einmal musst du wissen, ob du dir selbst vertrauen kannst, wenn es darum geht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dann muss ich es wissen. Und erst dann können wir vielleicht über Washington reden.“
„Es tut mir Leid“, erwiderte Madison nur.
„Und jetzt such dir eine Beschäftigung hier im Haus.“
Ihre Tochter nickte. Sie wirkte zwar nicht besonders zerknirscht, schien aber bereit zu sein, ihr Verhalten noch einmal zu überdenken.
Lucy ging noch nicht. „Madison, ich weiß, dass ich mich neulich abends nicht besonders klar ausgedrückt habe …“ Sie holte tief Luft und fuhr fort. „Aber ich möchte nicht, dass du und J. T. euch draußen alleine aufhaltet. Nicht weil ich eine verrückte oder übervorsichtige Mutter ohne eigenes Leben bin, sondern weil ich mir Sorgen mache, dass ihr möglicherweise auch von jemandem belästigt werdet, der mir seit einiger Zeit Schwierigkeiten macht.“
Madison wurde blass. „Was?“
„Im Moment scheint er es nur auf mich abgesehen zu haben. Und es gibt ja wohl auch keine weiteren Vorfälle mehr – ich weiß nicht, wie ich sie sonst nennen soll. Jedenfalls hoffe ich, dass es vorbei ist. Vielleicht habe ich das ja auch alles nur dramatisiert. Aber ehe ich mir dessen nicht sicher bin, möchte ich euch ganz dringend bitten, nicht alleine aus dem Haus zu gehen.“
„Was waren das denn für Vorfälle?“
Lucy erzählte es ihr, ohne auch nur eine Einzelheit zu verheimlichen. „Ich weiß nicht, ob sie alle in einem Zusammenhang stehen – oder ob zumindest einige miteinander zu tun haben.“
„Also deshalb ist Sebastian hier?“
Deshalb und auch noch aus einem anderen Grund, den er ihr nicht verraten wollte. Sie vermutete, dass es mit Darren Mowery zu tun hatte. Keine beruhigenden Aussichten. Sie nickte. „Ja.“
„J. T. weiß nichts davon, oder?“
„Nein.“ Lucy lächelt schwach. „Er ist noch klein genug, dass er alles tut, was ich ihm sage, ohne dass er mich mit Fragen und Widerworten bombardiert.“
Madison verzog keine Miene. „Das ist ja unheimlich.“
Erschöpft ging Lucy wieder nach unten, füllte ihren Becher mit lauwarmem Kaffee und ging zu Sebastian, der immer noch auf der
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