Haus der Angst
davon zu erzählen.“
„Barbara Allen wird nicht gefeuert werden, nur weil du sie dabei erwischt hast, wie sie für deinen Großvater ein Ferienhaus mietet. Das muss sie doch wissen.“ Und wenn sie es wusste, dann versuchte sie bewusst, ein fünfzehnjähriges Mädchen für ihre Zwecke zu beeinflussen. Aber welche Zwecke – und warum?
Madison nickte. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass sie ihm alles erzählen musste. Ihre blauen Augen fixierten ihn. Sie hatte vor ihm nicht mehr Angst als alle anderen Familienmitglieder. Er war aus der Übung. Die Leute hatten ihn mal gefürchtet.
„Sonst noch was?“ fragte sie sarkastisch, als ob er ihr Inquisitor wäre.
„Nein. Jetzt können wir zurückgehen und alles deiner Mutter erzählen.“
Sie murmelte etwas vor sich hin. Er war sicher, dass es wie „Scheißkerl“ geklungen hatte, aber sie war erst fünfzehn und sollte solche Wörter nicht benutzen. Deshalb ging er nicht darauf ein. Dann sagte sie noch etwas, das so klang, als sei sie froh darüber, dass er in den Wasserfall gestürzt sei. Diesmal sprach sie etwas lauter, denn sie wollte, dass er es mitbekam und dass er reagierte. Aber den Gefallen tat er ihr nicht. An ihrer Stelle wäre er allerdings auch wütend gewesen.
Und wütend war nur eine schwache Umschreibung des Zustands, in dem Lucy sich befand.
Sie empfing Madison an der Tür. Sie war kalkweiß im Gesicht, verängstigt und zu aufgebracht, um zu reden. Sie trug Shorts, ein T-Shirt und Sandalen. Schade. Nicht mehr das knappe Nachthemd. Sie deutete nach oben. „Geh auf dein Zimmer.“
„Mom, ich kann es dir erklären. Ich …“
Lucy hielt die Hand ausgestreckt. Das Mädchen klappte den Mund zu, stürmte an ihr vorbei und polterte die Treppe hinauf.
„Ein Wunder, dass sie sich nicht die Knöchel verstaucht.“ Sebastian rutschte auf einen Stuhl am Küchentisch. Er atmete schwer, und das Blut pochte in seinen Schläfen. Er brauchte Kaffee und etwas zu essen und vielleicht noch einen weiteren Tag, bis er sich wieder mit Verrückten auseinander setzen konnte, anstatt lediglich auf Lucys Kinder aufzupassen. „Wenn es dich beruhigt – sie hat sich nicht mit einem Mann getroffen.“
Allmählich kehrte die Farbe in Lucys Gesicht zurück. „Wer war es dann?“
„Eine Frau namens Barbara Allen. Sie hat heimlich ein Haus für deinen Schwiegervater gemietet. Er möchte im August hierher kommen. Kennst du sie?“
Lucy nickte. „Dieser verflixte Jack. Er macht aus allem ein Geheimnis. Er sagt, er tut es deshalb, weil er Überraschungen liebt und kein Aufsehen erregen will. Manchmal könnte man meinen, er hält sich für den Präsidenten persönlich.“
„Was ist denn mit Barbara Allen?“
„Barbara? Sie ist seine persönliche Assistentin, und das jetzt schon seit … ich weiß nicht, aber bestimmt zwanzig Jahren. Sie ist ihm ergeben. Wenn er ihr etwas befiehlt, tut sie es sofort. Sie hat die Kinder immer geliebt – sie ist ein Schatz. Wenn wir in Washington sind, besorgt sie uns Theaterkarten, Tische in Restaurants und so was alles.“
„Sie hätte Madison besser nicht verboten, es dir zu sagen.“
„Natürlich nicht.“ Lucy holte zwei Becher aus einem Schrank. Ihre Bewegungen waren fahrig und verrieten ihre Nervosität. „Aber das ist typisch Jack, und Barbara tut natürlich alles, um ihn zufrieden zu stellen. Vermutlich hat sie gar nicht weiter darüber nachgedacht. Und woher sollte sie etwas von den merkwürdigen Ereignissen wissen?“
Sebastian sagte nichts dazu.
Sie stellte die Becher auf die Küchentheke und drehte sich zu ihm. „Sebastian, an so etwas solltest du nicht einmal
denken.
Barbara doch nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte lieber nicht wissen, was jetzt in deinem Kopf vor sich geht.“
Er lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Der Ausflug in den Wald hatte ihm gut getan, aber er konnte die Anstrengung auch spüren. Er lächelte. „Bestimmt nicht. Erzähl mir, was du von Barbara Allen weißt.“
„Das habe ich doch gerade getan.“
„Erzähl mir von ihrem Charakter“, bat er. „Von ihrem Pflichtgefühl, was sie von dir hält, von deinen Kindern, wie sie darüber denkt, dass du nach Vermont gezogen bist. Alles.“
„Ich weiß nicht viel. Ich habe in den vergangenen Jahren nur durch Jack mit ihr zu tun gehabt, nicht mit ihr direkt. Sie ist sehr professionell. Sie hat mir nie viel von ihrem Privatleben erzählt. Ich glaube, sie hat eine Wohnung am Fluss.“
„Ist sie nicht
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