Haus der Angst
klingst müde. Ist alles in Ordnung bei dir?“
„Ja, es geht mir ausgezeichnet. Es ist nur ziemlich heiß hier. Lucy, da ist noch etwas, das ich dir sagen sollte. Sidney Greenburg wird auch einige Zeit mit mir in Vermont verbringen.“
„Das ist doch toll. Sidney ist ein wunderbarer Mensch.“ Lucy wusste sofort, was er ihr in seiner fast prüden Art damit sagen wollte. „Jack, ich freue mich so für dich.“
„Und du? Ist bei dir auch alles in Ordnung?“
Nicht wirklich, dachte sie. „Ich habe alles im Griff. Wann fährt Barbara denn nach Washington zurück? Ich könnte sie immer noch zum Abendessen einladen …“
„Ich habe ihr empfohlen, ein paar Tage freizumachen, um sich zu erholen. Aber du kennst ja Barbara. Ohne sie würde hier alles drunter und drüber gehen.“
Lucy lächelte. „Sprichst du nur von deinem Büro oder von ganz Washington?“
Er lachte. Das klang schon mehr nach dem alten Jack.
Kaum hatte sie das Gespräch beendet, tauchte Sebastian hinter ihr auf. „Wie geht’s denn dem guten Senator?“
„Lauschen ist nicht gerade die feine Art. Heute Morgen habe ich mich noch mit J. T. darüber unterhalten.“
„Keiner hat jemals behauptet, dass ich nach der feinen Art lebe.“
Sie schluckte und rupfte eine blassgelbe Blüte von einer Lilie. Sie spürte, dass seine Stimmung nicht gut war. Er sah ernst aus. Nichts war mehr zu spüren von seinem verführerischen Sex-Appeal und dem Überschwang der Gefühle vom frühen Morgen. Jetzt strahlte er eine eher düstere Ruhe aus.
„Er war nervös“, sagte sie. „Um diese Zeit ist Washington die Hölle. Alle wollen raus aus der Stadt, denn es ist unerträglich heiß. Das zerrt natürlich auch an den Nerven der Politiker; der Druck, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, wird stärker empfunden. Und Jack ist ein Arbeitstier. Er denkt gerne lange über Dinge nach und hasst es, halbgare Kompromisse zu machen.“
„Ich würde mich gerne mal mit ihm unterhalten.“
„Mit Jack? Warum?“
Er zuckte mit den Schultern, aber er wirkte alles andere als beiläufig. „Aus dem gleichen Grund, aus dem die Polizei mit ihm reden würde, wenn du sie und nicht mich um Hilfe gebeten hättest. Er ist Senator. Wenn dir jemand zu nahe tritt, dann vielleicht deshalb, weil er es eigentlich auf ihn abgesehen hat.“
Lucy warf noch mehr welke Blüten auf einen Haufen hinter dem Blumenbeet. Das Unkraut müsste mal wieder gejätet werden, und Dünger konnten die Pflanzen auch gebrauchen. „Das ist doch absurd.“
„Vielleicht.“
„Du glaubst also wirklich, irgendwas ist im Busch, weil er hier ein Haus für August gemietet hat?“
„Ich glaube gar nichts. Ich möchte nur mal mit ihm reden.“
Sie drückte ihm das Telefon in die Hand. „Bitte. Aber ich höre zu.“
„Lucy …“
„Du verheimlichst mir etwas, Redwing. Du bist nicht deswegen hier, weil jemand durch mein Esszimmerfenster geschossen hat. Was ist es also? Was weißt du, von dem ich nichts weiß?“
„Ich hasse es zu telefonieren, wenn mir jemand in den Nacken atmet.“
„Das hasse ich auch.“
„Du hast nicht gewusst, dass ich da war.“
„Wenn du mein Telefon nicht benutzen willst, während ich mithöre, dann hättest du dein eigenes mitbringen sollen.“
Sie zupfte heftig an einer verklebten braunen Malvenblüte. Die Pflanze war nicht an einen Stock gebunden und hing bereits ziemlich schlaff herab. Jetzt fiel sie endgültig zu Boden und lag dort wie ein totes Tier.
Sebastian sah ihr zu, ohne ein Wort zu sagen. Der Mann ging ihr auf die Nerven, machte sie fertig, trieb sie zur Verzweiflung und in den Wahnsinn. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen – oder wenigstens keinen allzu klaren. Alles schien lebendiger und energiegeladener, wenn er in ihrer Nähe war. Das spürte sie sogar beim Zupfen von verwelkten Blüten. Bei ihm gab es keine halben Sachen. Und er ließ einen einfach nicht in Ruhe.
„Du bist ein verdammter Lügner“, sagte sie und ging mit entschlossenen Schritten in die Scheune.
Er folgte ihr nicht. Sie trat gegen einen Papierkorb und lief zu einem Fenster, das sie bei der Renovierung der Scheune hatte einbauen lassen. Er wählte schon die Nummer. Dieser Mistkerl. Er hatte seinen Kopf durchgesetzt. Was kümmerte es ihn, wenn sie total durcheinander war?
Sie griff nach dem Hörer vom Nebenanschluss.
„Leg auf, Lucy. Damit kenne ich mich besser aus als du.“
„Die Kinder könnten mithören.“
„Rede keinen Unsinn. Leg auf.“
Sie hörte
Weitere Kostenlose Bücher