Haus der bösen Lust (German Edition)
Bahngleise erinnerte. Geh nach unten und hol dir etwas zu essen, ging ihm durch den Kopf. Irgendetwas Schlichtes würde vielleicht dabei helfen, seinen Magen zu beruhigen.
Aber wollte er wirklich an diesem großen Porträt von Harwood Gast vorbei? Oder was, wenn er Windom Fecory sähe, der an dem Schreibtisch Schecks ausstellte?
Herrgott ...
Er wusste, dass es nur seine Einbildung war, als er abgestandenen Urin zu riechen glaubte.
Behutsam glitt Collier unter Dominique weg, streifte seinen Morgenrock über und schlich mit einer Kerze in der Hand aus dem Zimmer.
Mittlerweile war es zwar spät, dennoch beruhigten ihn gewisse Geräusche, die er im Flur vernahm: Stimmen von Gästen, Geplapper aus einem Fernseher, sogar quietschende Bettfedern aus dem Zimmer der Frau aus Wisconsin. Gedämpftes Grollen folgte ihm nach unten – er schaute weder zum Porträt noch zum Tisch –, dann durchquerte er den Speisesaal zur Küche.
Natürlich funktionierte kein Licht, und der Schein der Kerze ließ die lange Küche winzig wirken. Collier nahm sich ein Stück Teekuchen aus dem Kühlschrank, probierte einen Bissen und ...
Scheiße!
... ließ ihn fallen.
Irgendwo entfernt im Haus hörte er einen Hund.
Blödsinn. Ich hab gar nichts gehört.
Er starrte zum dunklen Eingang, der zu den hinteren Gebäudetrakten führte. Die Stimme eines kleinen Mädchens sagte in gehässigem, schnippischem Tonfall: »... rituelle Grausamkeiten und die Opferung von Unschuldigen sind nichts Neues ...«
Dann folgte das Klatschen von nackten, wegrennenden Füßen.
Diesmal irrte er sich nicht. Das hab ich doch schon mal gehört ...
Es waren Sutes Worte von diesem Nachmittag, aber es war eindeutig nicht Sutes Stimme.
Colliers Augen weiteten sich, als er die Kerze vor sich hielt und durch den Eingang trat.
Der Gang fühlte sich wie ein Grabgewölbe an. Das trübe, an den Wänden flackernde Kerzenlicht vermittelte den Eindruck, der Flur bewege sich an ihm vorbei statt er sich durch den Flur hindurch. Ein Fenster am entfernten Ende leuchtete kurz auf, als es draußen heftig blitzte. Die dunklen Gemälde an den Wänden und die Reihe geschlossener Türen konnte er kaum ausmachen.
Jäh blieb Collier stehen.
Eine andere Stimme, nur ein Flüstern: »... eine Opfergabe an den Teufel ...« Dann ein verhallendes Lachen.
Diesmal hatte es sich nicht um die Stimme eines Kindes gehandelt, sondern um die einer erwachsenen Frau mit ausgeprägtem, unterschwellig laszivem südlichem Akzent.
Was danach folgte, war eine so völlige Stille, wie Collier sie noch nie erlebt hatte.
Hände schnellten aus der Dunkelheit hervor, packten Collier am Morgenrockkragen und zerrten ihn durch eine plötzlich offene Tür ...
Collier schrie auf. Die Kerze fiel ihm aus der Hand und erlosch.
»Kommen Sie hier rein!«
Der Schreck fuhr ihm gleichzeitig mit dem nächsten Blitz mitten ins Herz. Er fiel mit seinem unbekannten Häscher auf ein Bett. Nackte Angst schnürte ihm die Kehle zu.
Es war Mrs. Butler, die neben ihm zitterte. Voll blankem Grauen schlang sie die Arme um ihn.
»Großer Gott, Mrs. Butler! Ihretwegen hätte ich beinahe einen Herzinfarkt bekommen!«
»Hilfe, ich habe solche Angst! Die Blitze ...«
Verärgert versuchte Collier, sie zu beruhigen. »Keine Bange. Das ist nur ein Sturm ...« Er sah sich in dem Raum um, der offensichtlich ihr Schlafzimmer darstellte, hübsch mit Antiquitäten eingerichtet. In jedem Winkel flackerten Kerzen.
»Mrs. Butler, haben Sie etwas gesagt, als ich auf dem Flur war? Etwas über den Teufel?«
»Den ... gütiger Himmel, nein!« Ihre um ihn geschlungenen Arme bebten. »Aber jemand anders hat es getan ...«
»Sie haben auch eine Stimme gehört?«
Das Baumwollnachthemd klebte vor Schweiß an ihrem Busen. »Das war sie ...«
Sie. Also hat sie es auch gehört, dachte Collier. »Sie? Wer?«
Die Frau richtete sich auf. Das graue Haar fiel ihr zerzaust um die Schultern. Etwas zwang Collier, den Blick auf die Brüste und den Bauch zu richten, die sich unter dem feuchten Nachthemd der alten Dame abzeichneten.
Wie eine Traumwandlerin bewegte sie sich auf das Fenster zu.
»Mrs. Butler?«
Der nächste Blitz erhellte kontrastreich ihre Silhouette am Fenster. »Ich liebe diese Stürme einfach ...«
Collier runzelte die Stirn. »Mrs. Butler, geht es ihnen gut?«
»Oh ja, Mr. Collier.« Als die Worte ihren Mund verließen, streifte sie die Träger ihres Nachthemds ab, ließ es zu Boden gleiten und stieg heraus. Gleich darauf stand sie
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