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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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stammten aus Florida. Bevor er nach einem Streichholz suchen konnte, hatte Cutton bereits eines für ihn angezündet.
    »Danke«, sagte er und paffte. »Und ich wollte Sie etwas fragen, Mr. Cutton.« Er hielt sein Notizbuch hoch. »Wir scheinen ziemlich schnell Schienen und Verbindungslaschen zu verbrauchen. Hat jemand die Bestellung für die letzte Lieferung erhöht?«
    Cutton nickte und biss ein Stück Kautabak ab. »Ja, Sir, wurde gemacht.«
    »Von wem? Vom Versorgungsleiter?«
    »Nein, Sir. Von Mr. Gast. Er hat’s mir gegenüber erwähnt – weiß nicht mehr, wann genau. Jedenfalls sagte er, dass er die letzten paar Wochen zehn bis fünfzehn Prozent mehr ranschaffen würde. Schwellen natürlich auch. In Kentucky gibt’s ein neues Stahlwerk, bei dem er kauft, hat er zu mir gesagt. In Tredegar werden rund um die Uhr Kanonen gebaut, falls es zum Krieg kommt.«
    Poltrock filterte die nützlichen Informationen heraus. »Zehn bis fünfzehn Prozent mehr? Kein Wunder, dass meine Zahlen nicht zu stimmen scheinen ...«
    »So wie ich das sehe, arbeiten die Männer echt hart. Wären Sie ein Sklave mit der Aussicht auf Freiheit am Ende, würden Sie nicht auch besonders hart arbeiten?«
    »Ja, das würde ich zweifellos ...« Poltrock kratzte sich am Ohr. Harte Arbeit war eine Sache. Aber ... das? Er wusste, dass er die Zahlen noch einmal durchgehen musste. Das konnte äußerst interessant werden ...
    »Würden Sie bitte mein Pferd holen, Mr. Cutton? Ich reite los, um die Schienen zu zählen.«
    »Ja, Sir. Wir wissen alle, dass Freitag ist, wenn Mr. Poltrock die Schienen zählt. Soll ich Ihnen helfen?«
    »Nein. Nein, das ist etwas, dass ich alleine machen muss.«
    »Ich hol’ Ihr Pferd ...«
    Damit lief Cutton los. Morris warf ihm ein stummes Grinsen zu, dann stieg er selbst vom Wagen. »Was is’ denn mit den Verbindungslaschen, Mr. Poltrock?«
    »Ach, nichts. Wahrscheinlich nur fehlerhafte Buchhaltung.«
    Ein großer Kerl mit einer Pistole in der Hand folgte einem deutlich kleineren Mann mit einer roten Melone. Mr. Fecory, dachte Poltrock. Fecorys Gesicht wirkte schrumplig, und seine merkwürdige Goldnase funkelte.
    »Hallöchen, Mr. Fecory!«, begrüßte Morris den Neuankömmling lautstark.
    »Mr. Morris«, gab der kleine Mann zurück. Er nickte, als hätte er einen Knick im Hals. In der Hand trug er einen Lederkoffer, von dem jeder wusste, dass er voller Bargeld war. »Freuen Sie sich, mich zu sehen, oder bloß darüber, dass Zahltag ist?«
    »Natürlich drüber, Sie zu sehen, Sir!«
    »Ah ja.« Auch Poltrock nickte der wieselartige Mann zu.
    »Sie könnten wohl nich’ Mr. Poltrock und mir mal eben schnell unsern Lohn zustecken, damit wir nich’ in der Schlange warten müssen, oder?«, meinte Morris.
    »Ich bin sicher, Mr. Morris, dass Sie genauso hart arbeiten wie jeder andere; daher können Sie auch in der Schlange warten – wie jeder andere.«
    »Ich hab gewusst, dass Sie das sagen würden ...«
    Fecory schwenkte schulmeisternd einen Finger. »Wissen Sie, wir sind hier nicht bei der Essensausgabe. Sie müssen Ihre Quittung unterschreiben, genau ...«
    »Wie jeder andere«, beendete Morris den Satz für ihn. »Scheiße«, raunte er Poltrock zu, nachdem der Zahlmeister die Gleise überquert hatte und aufs Lager zuging.
    »Wir haben es nicht eilig, Mr. Morris«, erinnerte ihn Poltrock.
    »Ich weiß, Sir. Es is’ nur so, dass wir Eisenbahnleut’ sin’ – wir leben für unsere Freitage, und ich kann Ihn’ sagen, dass ich’s kaum noch erwarten kann, was zu saufen und zu bumsen.«
    Poltrock unterschied sich grundsätzlich nicht von anderen, doch seit er für Gast arbeitete, schien er einen inneren Konflikt zu bemerken. Er trank an Freitagen kaum noch – seit Monaten nicht mehr –, und er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt die Dienste eines Freudenmädchens in Anspruch genommen hatte. Selbst während der dreitägigen Ruhepausen, die Gast ihnen zu Beginn jedes Monats zugestand, zog sich Poltrock manchmal nur in die Schlafbaracke zurück, überprüfte wiederholt seine Bestandsaufzeichnungen und überließ das Feiern den anderen. Ich schätze, ich werde alt, redete er sich allzu oft ein. Oder lag es an etwas anderem? Hinter seinem Bewusstsein schien eine unzufriedene Präsenz zu lauern und zu flüstern: Dies alles ist falsch, und du weißt es. Du bist nicht der Christ, den deine anständigen, aufrechten Eltern großgezogen haben. Sie würden sich deiner schämen ...
    Stimmte das? Lag es daran?
    Morris gab

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