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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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aber nicht so schlimm.« Cricket zeigte ihm ihren Finger. »Ich hab eine Zuckerstange aus dem Laden stibitzt und wurde erwischt.« Ein irres Kichern. »Aber das war nicht so schlimm wie das, wobei man Mary erwischt hat ...«
    »Halt die Klappe!«
    Wieder die breit grinsende Maske. »Sie hat fünf Minuten gekriegt, weil sie in der Schule ’nen Jungen geküsst hat!«
    Mary schlug ihrer Schwester mit der flachen Hand heftig auf den Oberschenkel. Das klatschende Geräusch peitschte durch den Wald.
    »Aua!«
    »Geschieht dir recht. Mister, hören Sie nicht auf sie.«
    Collier ging zu viel gleichzeitig durch den Kopf. Wer waren diese Mädchen? Wohnten sie auch in der Pension? Collier bezweifelte es. Wahrscheinlich eher in einer Wohnwagensiedlung in der Nähe . Dann dachte er: Diese Blutergüsse ... Ihm fiel Mrs. Butlers schmerzliche Vorführung der »Klammern für unartige Mädchen« aus der Vitrine ein ...
    ... kratz-kratz-kratz ...
    »Bitte, das solltest du wirklich nicht tun ...«
    Mittlerweile rasierte die Blonde die andere Achselhöhle.
    »Mach dann meine, mach dann meine!«, beharrte Cricket.
    »Da gibt’s nichts zu rasieren«, gab Mary gereizt zurück. »Du hast da noch keine Haare.« Dann richtete sie ein schadenfrohes Lächeln auf Collier. »Sie ist neidisch, Mister, weil ich schon Haare habe und sie noch keine. Und das Blut hab ich auch schon.«
    Colliers Kehle fühlte sich zugeschnürt an. »Das ... Blut?«
    »Evas Fluch, von dem uns unsere Mutter erzählt hat. Eva hat im Garten Eden irgendetwas Schlimmes angestellt, und seither bekommen alle Mädchen den Fluch. Aber durch den Fluch kriegen wir auch Haare. Stimmtֹ’s, Mister?«
    Collier stand sprachlos da. Er räusperte sich und fragte: »Seid ihr, äh, aus der Stadt?«
    »Oh ja. Wir sind hier geboren.«
    »Wo sind eure Eltern?«
    Cricket wackelte im Schlamm des Baches mit den Zehen. »Unser Vater ist unterwegs bei der Arbeit, und unsere Mutter ist daheim. Woher sind Sie denn, Mister?«
    »Aus Kalifornien ...«
    Die beiden Mädchen wechselten erneut einen Blick, der diesmal erstaunt wirkte.
    »Ich bin nur zu Besuch hier. Ich wohne in Mrs. Butlers Pension.«
    Mary wusch sich die andere Achselhöhle ab. Da kam Collier der Gedanke, dass sie für Schwestern kaum unterschiedlicher hätten aussehen können.
    »Mrs. Butler kennen wir nicht.«
    Sie müssen aus einer Ortschaft in der Nähe hierherspaziert sein . Aber ... war es wirklich dieser Hund gewesen, den er in der vergangenen Nacht gesehen hatte? Nein. Das war bloß ein Traum. Nur eine Halluzination ...
    Andererseits schien die Vermutung, dass sich dieser Hund eingeschlichen haben könnte, auch nicht zu weit hergeholt zu sein. Mrs. Butler hatte sogar eine solche Möglichkeit angedeutet.
    »Stimmt«, bestätigte Mary. »Beim Fassbinder arbeitet zwar ein Mann namens Butler, aber der hat keine Frau.«
    Cricket meldete sich flötend zu Wort. »Einmal war er sturzbetrunken und hat uns einen halben Dollar angeboten, wenn wir ihm unsere ...«
    »Cricket! Sei still!«
    Colliers Gedanken streckten sich wie ein zäher Kaugummi.
    »He!«, stieß Cricket hervor. »Was machst du denn da?«
    Der Hund tollte im Wasser umher und jagte die im Bach treibenden Rasierschaumklumpen. Er schien sie fressen zu wollen.
    »Er ist ein dummer Hund«, meinte Mary.
    »Manchmal wirklich dumm ...«
    Dann jaulte der Hund auf, preschte in den Wald und rannte im Kreis. Einmal hielt er abrupt inne, um einen Haufen zu setzen. Dabei schien er Collier direkt anzusehen.
    »Er kackt!«
    »Ich muss gehen ... lebt wohl«, sagte Collier rasch und setzte sich in Bewegung.
    »Gehen Sie nicht!«, rief Cricket ihm hinterher. »Wollen Sie nicht zusehen, wie sich Mary ihre ...«
    Colliers Schritte wurden länger.
    Im Laufen hörte er wieder das Geräusch.
    ... kratz-kratz-kratz ...
    Trotz seiner Benommenheit – halb betrunken, halb verkatert – ging er in gerader Linie. Als er einen Hang erreichte, der ihn, wie er inständig hoffte, zurück zur Pension führen würde, wurde er langsamer. Kinder von weißem Gesindel, vermutete er. Arme, nachlässige Eltern, keine anständigen Vorbilder. So etwas kam überall vor. Dann dachte er: Oder vielleicht ...
    Vielleicht hatte er eine weitere Halluzination.
    Die Fingerklammern? Der Hund? Ein junges Mädchen, das sich die Beine in einem Bach rasiert?
    Leise vernahm er ein Kichern, obwohl er mittlerweile um die hundert Meter weit entfernt sein musste.
    Ein perverser Kobold in seiner Psyche zwang ihn, sich gegen seinen

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