Haus der bösen Lust (German Edition)
Willen umzudrehen.
Und zurück hinunter in den Wald zu schauen.
Die Mädchen befanden sich immer noch am Bach. »Böser Hund!«, rief Cricket genießerisch unter einer Flut von weiterem Kichern, das nur von Mary stammen konnte.
Collier drehte sich angesichts dessen, was er sah – oder zu sehen glaubte –, der Magen um. So schnell ihn die Beine trugen, rannte er in Richtung der Pension los.
Kapitel 8
I
1861
»Gute Arbeit, Männer!«, rief Morris sowohl den Sklaven als auch den Weißen zu. Er stand hinten auf dem Leitwagen für den Frachtzug vor der Baustelle. Als die Abenddämmerung einsetzte, schirmte er die Augen ab und spähte die Trasse entlang. »Sieht für mich nach verflucht guter Arbeit aus. Meinen Sie nich’ auch, Mr. Poltrock?«
Poltrock stand abwesend etwas abseits. Er betrachtete die Zahlen und ging durch, wie viele Eisenschienen und Verbindungslaschen die Mannschaft seit vergangenem Freitag verbraucht hatte. Kann das stimmen?
Morris grinste ihn mit den Händen an den Hüften an. »Schätze, Mr. Poltrock hat mich nich’ gehört ...« Der Rest der Männer einschließlich der Neger lachte.
Poltrock schüttelte seine Grübelei ab. »Doch, Mr. Morris. Ja, das war womöglich sogar mehr als verflucht gute Arbeit ...«
Morris’ langes Haar wehte in der Brise. »Dann haben wir alle bis Sonntagmorgen« – einer der Aufseher läutete eine Glocke – »frei!«
Die Gruppen mit rund einhundertfünfzig Männern lösten sich auf. Vor Schweiß glänzend, vor Erschöpfung gebeugt und trotzdem vergnüglich brachen sie zu den Lagern auf. Die Glocke bimmelte weiter und marterte Poltrocks Hirn.
»Wieder ’ne Woche vorbei.« Morris rieb sich die Hände. »Kaum zu glauben, dass wir inzwischen im tiefsten Georgia sin’. Schon bald vier Jahre rum, oder? Kommt mir eher wie sechs, vielleicht acht Monate vor, wennse mich fragen.«
Poltrock hörte den Mann kaum. Dann bemerkte er ein langes Messer in einer Blechscheide, die an Morris’ Hüfte baumelte. »Mr. Morris, was ist das für ein Ding an Ihrer Hüfte? Sieht halb wie ein Schwert, halb wie ein Säbel aus.«
Die fünfunddreißig Zentimeter lange Klinge sirrte, als Morris sie aus der Scheide zog. »Nennt sich Säbelbajonett, Sir. Schick, was? Wird von der Waffenfabrik in Kenansville aus abgekantetem Stahl gefertigt. Die tun was dazu, das Chrom heißt – das Ding rostet nich’ mal dann, wenn man’s über Nacht in ’nem Eimer voll Wasser lässt. Und der Messinggriff is’ so hart, dass man ihn als Hammer benutzen kann.«
»Wofür braucht ein Mannschaftsleiter ein so langes Messer?«
»Brauchen tu ich’s eigentlich gar nichֹ’ ...« Morris drehte die Klinge, bis sie funkelte. »Is’ bloß ... hübsch, find’ ich. Weiber haben ihre Klunker, Männer ihre Schießeisen und Messer.«
Der Gedanke war Poltrock nie in den Sinn gekommen, hatte aber etwas für sich. »Jetzt, da Sie es erwähnen, denke ich, dass ich meinen .36er-Colt recht ähnlich betrachte«, meinte er und deutete auf den Revolver an seiner Hüfte. »Ich brauche ihn eigentlich auch nicht wirklich, zumal Mr. Gast ja eine regelrechte Armee von Aufsehern eingestellt hat. Wollten die Sklaven rebellieren, hätten sie das schon längst versucht.«
»Da müssten sie aber verrückt für sein«, sagte Morris. »Immerhin werden’s frei sein, sobald wir fertig sin’. Natürlich gibt’s immer irgendwelche Indianer, die Ärger machen. Wär’ für alle von uns klug, immer was zum Schutz dabeizuhaben.«
»Gefahr erkannt, Gefahr gebannt ... so heißt es doch, oder?«
»Da wir grad von Indianern reden ...« Morris spähte über die Baustelle hinaus.
Poltrock erblickte einige Gestalten, die sich auf sie zubewegten.
»Wahrscheinlich Bettler. Oder vielleicht Huren für heut Nacht«, vermutete Morris. »Aber um drauf zurückzukommen, wovon wir geredet haben – die Zeit vergeht so schnell. Ich wollt’ fragen, wie viele Streckenmeilen wir bis jetzt verlegt haben. Ich wett’, wir haben schon über dreihundertfünfzig, was meinen Sie?«
»Ich summiere die monatlichen Zahlen nur zweimal im Jahr, aber – Scheiße – ja. So schnell, wie wir voranzukommen scheinen, könnten wir wirklich bei rund dreihundertfünfzig liegen. Könnte durchaus sein.«
»Sind Sie grad dabei, die Woche zusammenzuzählen?«
»Ja, aber lassen Sie Mr. Fecory nicht gehen, bevor ich zurückkomme. Wahrscheinlich brauche ich etwa eine halbe Stunde.«
»Ich sag’s ihm«, gab Morris zurück. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete
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