Haus der bösen Lust (German Edition)
er die sich langsam nähernden Gestalten. »Er wird eh länger als das brauchen, um die weiße Mannschaft auszuzahlen.« Morris klopfte sich Staub aus dem Bart. »Und ich freu mich schon auf ’n Whiskey heut Abend. Was is’ mit Ihnen?«
Nach wie vor verwirrt von den Zahlen, klappte Poltrock sein Notizbuch zu. »Wie bitte? Oh ja, vielleicht ...«
Mr. Gast gab allen am Samstag frei, doch Poltrock wunderte sich oft, weshalb ausgerechnet an diesem Tag.
Der typische Tag der Ruhe war der Sonntag .
Jedenfalls konnte es manchmal ziemlich wild hergehen. Whiskey wurde ebenso herangeschafft wie mehrere Rinder. Und es durften auch einige Squaws auf das Gelände. Sie wurden als Eshquas bezeichnet. Mr. Gast störte es nicht, wenn an Freitagabenden Hurenzelte aufgestellt wurden, damit die Weißen Druck ablassen konnten.
Irgendetwas geisterte Poltrock im Hinterkopf herum. »Warten Sie mal! Mir fällt gerade ein, dass mir der Versorgungsleiter vorher gesagt hat, heute würde kein Whiskey angeliefert. Und mir ist auch kein ankommender Versorgungszug aufgefallen. Haben Sie einen gesehen?«
»Verflucht. Ne, hab ich nich’.« Morris sah aus, als hätte sich ein übler Geschmack in seinen Mund geschlichen.
»Ein paar Mal hat Mr. Gast schon Whiskey aus nahegelegenen Ortschaften herbringen lassen. Macht keinen Sinn, die Fässer jede Woche von zu Hause herzuschaffen ...«
»In Georgia? Scheiße, Mr. Poltrock, in Georgia verstehen die von Whiskey so viel wie im gottverdammten Massachusetts von Baumwolle.«
Zum wohl ersten Mal seit einer Woche lächelte Poltrock. »Ich bin sicher, nach einer so harten Arbeitswoche wird auch Whiskey aus Georgia reichen.«
»Ich hoff’, Sie haben recht. Schmeckt wahrscheinlich wie etwas aus ’nem Pissefass.« Morris seufzte und nahm die herannahenden Gestalten genauer in Augenschein. »Aber ’n paar Huren dürfen sicher rein. Ich würd’ sagen, da kommen schon welche.«
Trotz des schwindenden Lichts konnte Poltrock sie erkennen: Indianerfrauen mit genähten Beinkleidern und ärmellosen Oberteilen aus fransigem Leder. Ihre Augen in den harten Gesichtern wirkten riesig. »Was für Indianerinnen sind das überhaupt?«
»Nanticoke«, antwortete Morris. »Die gab’s früher hauptsächlich in Maryland, bevor Staatsmilizen sie vor etwa fünfzig Jahren dort ausgerottet haben. Die meisten sin’ nach Norden und dort erfroren, aber ’n paar hat’s in den Süden verschlagen. Georgia hat ihnen Reservate gegeben, wie sie’s oben in New York mit den Irokesen gemacht haben. Ein paar der Squaws hier schauen verflucht gut aus. Lassen sich für zehn Cent und ’n Schluck zu trinken bumsen, dann bringen Sie ’s Geld zu ihren Männern.« Morris wippte einen Moment lang auf den Zehen. »Ja, Sir, in eine von denen steck ich heut Abend mein’ Schwanz.«
Poltrock musste den fremdartig aussehenden Frauen Respekt für ihre Belastbarkeit zollen. Er zählte genau vier, und er wusste, dass sie bis spät in die nächste Nacht hinein fünfzig geile weiße Männer befriedigen würden. Viele der Männer würden vier oder fünf Durchgänge machen. Wie Morris, dachte Poltrock. Morris hegte eine Vorliebe für Huren. Das galt für etliche der Männer.
»Sehen Sie sich mal die da an«, forderte Morris ihn auf. »Die werd’ ich mir als Erstes vornehmen ...«
Poltrock kniff die Augen zusammen. Es ließ sich mühelos erkennen, welche Squaw Morris meinte. Drei sahen älter und wettergegerbt aus, aber eine vierte schien deutlich jünger und besser proportioniert zu sein. Die Brüste der Frau waren so groß, dass sie die Rohlederschnüre spannten, die das Oberteil zusammenhielten.
»Die Rothaut hat aber mal feine Titten, was, Mr. Poltrock?«, sprach Morris unnötig das Offensichtliche aus. »Mit solchen Titten lässt sich alles Mögliche anstellen.« Spöttisch winkte Morris dem Mädchen zu und raunte: »Hallöchen, dreckige kleine Schlampe. Dir spritz ich bald mein’ Saft in die Dose.«
Poltrock fühlte sich müde. Zudem schien sich bei ihm eine Erkältung anzubahnen. Er konnte die wollüstige Begeisterung seines Kollegen nicht teilen.
»Da kommt Cutton«, stellte Morris fest.
»Ich muss mit ihm reden«, sagte Poltrock und stieg vom Leitwagen.
»Guten Tag, Mr. Poltrock«, begrüßte ihn der jüngere Mann. »Oder – verdammt – sollte ich schon Guten Abend sagen? Wohin verfliegen die Tage bloß in letzter Zeit?«
Poltrock zog eine Panatela hervor, die ihm aus Mr. Gasts persönlichem Vorrat zustand. Die Zigarren
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