Haus der bösen Lust (German Edition)
Spalier zum Balkon rauf.«
»Ne!«
»Ohne Scheiß. Und dann schaut er rein.«
»Verdammt, jetzt sag schon – was hat er gesehen?«
Der Geschichtenerzähler senkte die Stimme und grinste breit. »Sie is’ echt splitternackig. Dann setzt sie sich auf’n großen teuren Sessel und trinkt Wein, und wie sie so da sitzt, tut sie die Beine weit auseinander, und weißte was?«
»Was? Was?!«
»Sie is’ da unten komplett rasiert! Nirgendwo ’n Haar an der Fotze.«
»Du lügst, Jory!«
»Is’ die Wahrheit, Gott is’ mein Zeuge! Und wie sie so da sitzt und mit wem auch immer red’, fangt sie an, da unten rumzuspielen ...«
»Scheiße, Mann, das halt ich echt nich’ aus ...«
»Und dann ...« Jory beugte sich näher zu seinem Gefährten. »Dann geht sie rüber zum Bett und fangt an, ’n Kerl zu ficken, aber so richtig ... und da sieht er, dass es einer von die Sklaven is’.«
»Oh Mann ... Was hat er gemacht? Hat er’s wem gesagt?«
»Scheiße, ne, du Blödmann! Hätt’ er das gemacht, hätt’ er ja erklären müssen, was er überhaupt auf Mrs. Gasts Balkon gemacht hat!«
»Dafür hätt’ man ihn mindestens ’ne Woche an den Pranger gestellt.«
»Glaubst, das hat er nich’ gewusst? Also Scheiße, er hat gar nix sagen können. Aber er is’ geblieben und hat zugekuckt, und ...«
»Ihr da!«, brüllte Poltrock. Erschrocken schauten die beiden Arbeiter auf. »Hört sofort auf, solchen Blödsinn zu verzapfen, und zwar ein für alle Mal, habt ihr verstanden?«
»Äh ... ja, Sir, Mr. Poltrock. Wir haben nur ...«
» Blödsinn . Ihr verbreitet schmutzige, unangebrachte Gerüchte wie zwei Waschweiber, das macht ihr.« Poltrock rammte einem der beiden einen Finger in die Brust. »Ihr werdet nie wieder so reden. Ihr werdet nichts dergleichen mehr sagen, zu niemandem! Nie wieder! Die Arbeit hier draußen ist hart genug, üble Nachrede und von Betrunkenen verbreitete Gerüchte können wir nicht gebrauchen. Ihr Jungs werdet anständig bezahlt, also respektiert den anständigen Mann gefälligst, von dem euer Geld kommt. Sonst muss ich ihm wohl Meldung über euch erstatten.«
Einer der Jungen wirkte den Tränen nah, der andere stammelte: »Oh nein, nein, Mr. Poltrock, Sir, bitte tun sie das nich’ ...«
»Ich denke aber, das sollte ich.«
»Bitte, bitte, bei Gott, wir werden nie wieder so was sagen ...«
»Die Aufseher würden euch mit der neunschwänzigen Katze die Rücken blutig peitschen, dann würdet ihr gefeuert und dürftet nie nach Tennessee zurück. Ihr müsstet im Wald bei den Rothäuten leben und Hundefleisch und Raupen fressen, und selbst das auch nur dann, wenn sie nicht beschließen, eure dämlichen weißen Schädel zu skalpieren und euch zu essen.«
»Wir schwören’s, Sir, wir schwören’s bei Gott, wir reden nie mehr solchen Müll.«
»Haltet euch besser dran. Und jetzt stapelt diese verfluchten Kisten, und dann ab in die Lohnschlange.«
»Ja, Sir, ja, Sir, ja, Sir ...«
Poltrock stieg auf sein Pferd, schleuderte den beiden noch einen finsteren Blick zu und trat dann den Weg entlang der Trasse an. Wenigstens habe ich ihnen eine Heidenangst eingejagt. Allerdings hatte er selbst bereits Ähnliches gehört. Die Baustelle war ebenso eine Gerüchteküche wie die Stadt, unabhängig davon, ob die Arbeiter Ruhepause hatten oder nicht. Schon mehrere Männer waren hingerichtet worden, weil sie es gewagt hatten, sich mit der freizügigen Mrs. Gast einzulassen. Dann dachte Poltrock: Mrs. Pinkel ... Auch diese Gerüchte waren ihm zu Ohren gekommen, und bei jeder Gelegenheit, wenn er im Haus gewesen war, hatte er sogar Urin gerochen.
Er verdrängte den Gedanken aus dem Kopf und lenkte das Pferd langsam nach Norden. Es war an der Zeit, sich auf andere Dinge als die zu konzentrieren, die ihn die vergangenen vier Jahre beunruhigt hatten – all die Dinge, von denen er wusste, dass sie falsch waren ...
Wir schaffen über zwei Meilen pro Woche, erkannte Poltrock. Sein Blick folgte der Trasse, während er unbewusst jedes Schienenstück zählte. Das tat er jeden Freitag, seit sie 1857 begonnen hatten. Sogar das Pferd kannte den Ablauf mittlerweile; es lief mit gleichmäßig langsamer Gangart die Strecke entlang, während der Reiter im Sattel saß und zählte. Dazwischen notierte er immer wieder die Zahlen in seinem Buch. Schließlich blinzelte er. Was für ein Fortschritt. Letzte Woche haben wir 2,4 Meilen verlegt, und diese Woche ...
Als er das Geräusch schnellerer Hufe vernahm, zügelte Poltrock
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