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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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zu holen, während seine Frau und ich mit meinem Koffer draußen vor dem Gebäude stehenblieben. Hin und wieder tauschten wir einen Blick und gaben beide unserer Hoffnung Ausdruck, daß Edouard bald erscheinen würde.
    Ich fühlte mich fremd und befangen. Ich hatte nie erfahren, wie es ist, Verwandtschaft zu haben. Meine ganze Familie hatte bis zu diesem Tag aus meinen Eltern und meinem Bruder bestanden. Sprüche wie Familienbande und Blut ist dicker als Wasser, sagten mir nichts. Für mich hatten immer nur Freunde gezählt, Menschen, denen man sich aus Zuneigung näherte und an denen man festhielt, weil man sie mochte, nicht weil es Verpflichtung war. Jetzt sollten plötzlich fremde Menschen, mit denen ich noch nie etwas zu tun gehabt hatte, ein Recht auf meine Zuneigung haben, nur weil ich zufällig in ihre Familie hineingeboren war? Obwohl ich von dieser Frau und diesem Mann nichts wußte und auch die anderen, die mich erwarteten, nicht kannte, sollte ich sie mit Wärme und Herzlichkeit und ganz ohne Frage annehmen. Diese Vorstellung behagte mir gar nicht.
    »Wie war der Flug, Kind?« fragte die Frau mit dem Gesicht meiner Mutter. Sie sprach den breiten Dialekt der Leute von Lancashire, eine Mischung aus schottischer und walisischer Mundart, und anfangs hatte ich Schwierigkeiten, sie zu verstehen. »Völlig problemlos«, antwortete ich, hinten auf dem Rücksitz von Edouards kleinem Renault, die Knie fast bis zur Brust hochgezogen.
    »Du bist sicher sehr müde.«
    Ich nickte, ohne meiner Tante ins Gesicht zu sehen. Die Ähnlichkeit ihres Gesichts mit dem meiner Mutter störte mich. Eine Fremde mit unserem Gesicht. Ich konzentrierte mich lieber auf den Verkehr, der mich vor allem deshalb faszinierte, weil hier alles links fuhr.
    »Es ist schön, daß du gekommen bist, Andrea. Dein Großvater wird sich freuen, dich zu sehen. Es ist fast so, als wäre Ruth selber hier, nicht wahr, Ed?«
    Ich schluckte. Meine Person schien gar nicht zu zählen. Ich lehnte mich zurück und schloß einen Moment die Augen. Ich hatte mich darauf gefaßt gemacht, daß es ein anstrengender Besuch werden würde, aber in welchem Maß, das konnte ich nicht ahnen.
    Meine Mutter und ich hatten nicht einmal über eine zeitliche Begrenzung gesprochen. Wie lange ich bleiben würde, war mit keinem Wort erwähnt worden. Ich rechnete mit einer Woche, vielleicht zwei. Lang genug, um alte Verbindungen neu zu knüpfen. Und um über Doug hinwegzukommen. Wenn das überhaupt möglich war.
    Willkommen zu Hause, hatte Edouard am Flughafen gesagt. Aber mein Zuhause war Los Angeles.
    »Andrea!«
    Ich öffnete die Augen.
    »Schau mal da, Andrea.« Meine Tante wies zum Fenster hinaus. »Weißt du, was das ist?«
    Ich starrte zu dem riesigen schwarzen Gebäude hinaus, in dem hier und dort trübe Lichter schimmerten, und hatte keine Ahnung, was es war.
    »Das ist das Städtische Krankenhaus«, sagte Elsie. »Da bist du zur Welt gekommen.«

    Ich drehte den Kopf und sah es mir noch einmal an, aber bald schon verschwand es in der Dunkelheit, und wir fuhren jetzt zwischen endlos langen Zeilen von Reihenhäusern hindurch. Die Straßen der kleinen englischen Stadt wirkten kalt und verlassen im trüben Licht der viktorianischen Straßenlaternen. Der kleine Wagen rumpelte über das alte Kopfsteinpflaster, und mir war, als führe ich in eine lang vergangene Zeit zurück.
    »Du mußt entschuldigen, daß ich nicht sonderlich gesprächig bin, Tante Elsie, aber der Flug von Los Angeles hat elf Stunden gedauert, und dann hatte ich in Heathrow noch einmal zwei Stunden Aufenthalt...«
    »Aber natürlich«, sagte sie. »Kein Wunder, daß du müde bist. Und ich spiele hier die Fremdenführerin! Aber mach dir keine Sorgen, heute abend erwartet keiner mehr etwas von dir. Du trinkst jetzt einen schönen warmen Tee und dann schläfst du dich richtig aus. - Ah, da sind wir schon.«
    Edouard hielt so ruckartig an, daß wir alle nach vorn fielen. Ich sah neugierig zum Fenster hinaus. Die Straße sah aus wie all die anderen, durch die wir gefahren waren: zwei endlose Zeilen Reihenhäuser aus rotem Klinker in winzigen Vorgärten. »Wo sind wir hier?«
    »Bei deiner Großmutter«, antwortete Elsie und stieg aus dem Wagen. »Wir hielten es für das Beste«, fügte sie hinzu, während ich mit einiger Mühe aus dem ungewohnt kleinen Auto kroch, »daß du bei ihr wohnst. Sie ist ja jetzt ganz allein, und ein bißchen Gesellschaft wird ihr guttun. William oder ich hätten dich gern bei uns

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