Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
Vom Netzwerk:
Doug zu trennen, richtig gewesen war. Er hatte die richtige Diagnose gestellt: Ich wollte nicht die tiefe Verbundenheit, die er suchte. Ich wollte weder Heirat noch Familie. Ich wollte frei und ungebunden sein.
    Genau diese Worte hatte ich gebraucht, als ich ihm meinen Entschluß mitgeteilt hatte.
    »Frei und ungebunden.«
    »Und wo bleibt die Liebe?« hatte Doug gefragt. »Die Liebe hat damit nichts zu tun«, entgegnete ich. »Ich spreche von Freiheit. Ich will mich nicht festlegen. Ich will mich nicht binden.«
    Und er sagte: »Wovor hast du Angst?«
    Das Gespräch hatte unbefriedigend und mit Bitterkeit geendet. Ich hatte eine kühle, sachliche Trennung gewollt. Ich hatte versucht, ihm mein Bedürfnis nach Freiheit begreiflich zu machen, er jedoch hatte nur von Liebe und Angst gesprochen. Als hätten diese beiden Dinge etwas mit dem zu tun, was ich ihm hatte klarmachen wollen.
    Nach sechs aufregenden, glücklichen Monaten hatten wir uns zum erstenmal gestritten. Es wurde keine Trennung, wie ich sie gewünscht hatte. Unglücklich, bitter und in innerem Aufruhr waren wir auseinandergegangen. Die Reise nach England, hatte ich gehofft, würde mir Gelegenheit geben, Abstand zu gewinnen, mit mir ins reine zu kommen und meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
    Aber das war, wie es schien, eine Illusion gewesen. Wieder blieb ich stehen und sah blinzelnd zum blendend blauen Himmel auf, an dem weiße Federwölkchen dahintrieben. Wie merkwürdig, hier zu stehen, so weit von zu Hause, und zu denken, daß ich hier zur Welt gekommen war; daß hier meine Anfänge waren.
    »Du hast keine Wurzeln«, hatte Doug an unserem letzten Abend gesagt, und das vertraute Lächeln war einem Ausdruck gewichen, den ich vorher nie an ihm gesehen hatte.
    »Du hast keine Wurzeln, und du hast Angst davor, Wurzeln zu fassen. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, Andi. Du bist so künstlich und hohl wie die Stadt, in der du lebst.«
    Und so hatte es geendet. Wo war die Autonomie, auf die ich immer so stolz gewesen war? Wo waren die Willensstärke und der eigene Sinn, auf die ich mich immer hatte verlassen können? Ich hatte schon früher Beziehungen beendet und war über sie hinweggekommen.
    Warum konnte ich mich aus dieser nicht befreien?
    Meine Wangen brannten im rauhen Wind, während ich wieder zu den Rückfronten der Häuser hinüberblickte, die das Feld säumten. Eines von ihnen das meiner Großmutter. Bei der Erinnerung an Doug und seine Frage, wovor ich Angst hätte, fiel mir etwas ein, das Großmutter zu mir gesagt hatte. »Dein Großvater lebte in der ständigen Angst, Victor Townsends schreckliches Erbe könnte in einem seiner Enkelkinder wieder lebendig werden.«
    Ich fröstelte ein wenig, zog die Wolljacke fester um mich und machte mich auf den Rückweg zur Kent Avenue. Jetzt, da ich dem Haus eine Weile fern und mit mir selbst allein gewesen war, erkannte ich, daß all das Unheimliche, das mich in den letzten Tagen bedrückt hatte, nur Einbildung gewesen war, ein Produkt meiner überreizten Nerven. Blicke in die Vergangenheit - absurd! Das waren Träume gewesen. Ich war eingeschlafen, ohne es zu merken. Ich mußte mich nur an das Haus gewöhnen, dann würde ich mich in ihm so wohl fühlen wie meine Verwandten, und die Halluzinationen würden aufhören.
    Aber kaum betrat ich das Haus, senkte sich wieder das Gefühl der Beklemmung über mich, hüllte mich ein wie ein dunkler Schleier, schnürte mich ein, daß mir der Atem stockte.
    »Großmutter«, wollte ich rufen, aber meine Stimme gehorchte mir nicht. Ich lehnte mich an den Pfosten der Haustür und starrte in den düsteren Flur, unfähig, mich zu bewegen. Nach einer langen Zeit, wie mir schien, wurde die Wohnzimmertür geöffnet, und freundliches Licht fiel auf den abgetretenen Teppich.
    »Wieder da, Kind?« hörte ich meine Großmutter rufen. »Ich dachte mir doch, daß ich die Tür gehört habe. Komm herein. Elsie und Ed werden bald kommen, um dich abzuholen.«
    Niedergeschlagen, daß es mir doch nicht gelungen war, mich gegen die unheimliche Atmosphäre dieses Hauses zu feien, folgte ich meiner Großmutter ins Wohnzimmer, legte die dicken Kleider ab und ging zum Kamin. »Muß kalt sein draußen«, sagte meine Großmutter auf dem Weg in die Küche. »Du bist ganz rotgefroren. Du solltest noch etwas Warmes zu dir nehmen, ehe du wieder hinausgehst. Ich hol dir ein Glas von meinem Kirschlikör.«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, war mir ein Brandy lieber, Großmutter«, rief ich ihr

Weitere Kostenlose Bücher