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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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lag ganz außerhalb meiner Kontrolle.
    Andrerseits schienen sie meiner überhaupt nicht gewahr zu sein. In allen Spukgeschichten jedoch, die ich je gehört oder gelesen hatte, hatte immer der ›Geist‹ das Geschehen beherrscht und bestimmt, wem er sich zeigen wollte. Dies hier schien mir ein Spuk von ganz anderer Art zu sein. Zusammenhanglose Szenen aus der Vergangenheit, alle so real, als lebte ich in jenen Momenten wahrhaftig im England des neunzehnten Jahrhunderts.
    Warum gerade ich? fragte ich mich immer wieder. Wenn dies alles keinen Sinn hat, keinem bestimmten Zweck dient, warum dann gerade ich? Warum nicht Christine oder Ann oder Albert? Warum nicht William oder Elsie oder Großmutter?
    Ich hockte mit hochgezogenen Beinen im Sessel, den Kopf auf den Knien, als mir ein neuer, erschreckender Gedanke kam. Mit einem Ruck richtete ich mich auf und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die ruhig tickende Uhr. Alles läuft in der gleichen zeitlichen Reihenfolge ab wie vor hundert Jahren, dachte ich. Und das kann nur heißen -
    Nein! Ich sprang auf. Großmutters Worte fielen mir wieder ein. »Victor Townsend war ein nichtswürdiger Mensch. Manche sagen, er hätte sich der Schwarzen Kunst verschrieben. Andere behaupten, er hätte mit dem Satan selbst in Verbindung gestanden.
    Nichts in der Welt wird mich dazu bringen, über die unsäglichen Scheußlichkeiten zu sprechen, die dieser Teufel begangen hat. Solange Victor Townsend lebte, machte er den Menschen in diesem Haus das Leben zur Hölle.«
    »Nein...«, stöhnte ich.
    »Andrea!«
    Ich bewegte stumm meinen schmerzenden Kopf hin und her. »Andrea, Kind!«
    Langsam öffnete ich die Augen und sah meiner Großmutter ins Gesicht.
    »Andrea, fühlst du dich nicht wohl?«
    »Doch, doch - es geht mir gut.«
    »Es ist fast zehn«, sagte sie, während ich noch immer in das alte Gesicht blickte, das einmal frisch und schön gewesen war. »Möchtest du aufstehen oder lieber noch eine Weile schlafen?«
    Stirnrunzelnd blickte ich an mir hinunter, sah das Nachthemd, das ich anhatte, die Decken, die auf mir lagen. Ich drehte den Kopf zur Seite. Meine Sachen lagen sauber gefaltet auf einem Stuhl. Wann hatte ich sie ausgezogen?

    »Ach, Großmutter...«, sagte ich seufzend und rieb mir die Augen. »Ich habe solche Kopfschmerzen.«
    »Armes Kind. Warte, ich hol dir eine Tablette. Bleib ruhig liegen.“ Auf ihren Stock gestützt schlurfte sie zum Büffet und zog die oberste Schublade auf.
    Ich dachte an die vergangene Nacht zurück. Ich erinnerte mich an die weinende Harriet, die oben auf dem Bett gelegen hatte, und an ihr Gespräch mit ihren beiden Brüdern. Und ich erinnerte mich, daß ich im Zimmer umhergegangen war und versucht hatte, mir klarzuwerden, was diese Visionen oder Besuche in die Vergangenheit, oder was es sonst war, zu bedeuten hatten. Aber was danach geschehen war, wußte ich nicht mehr. Ich hatte keinerlei Erinnerung daran, mich ausgekleidet und ins Bett gelegt zu haben.
    »Hier, Kind.« Mit ihrer schmalen, von der Gicht verkrüppelten Hand reichte sie mir zwei weiße Tabletten und mit der anderen ein Glas Wasser. »Die helfen dir bestimmt.«
    »Was ist das?«
    »Ein Mittel gegen Kopfschmerzen. Nimm sie.«
    »Danke.«
    Ich setzte mich auf und schluckte die Tabletten. Es irritierte mich, daß ich mich nicht erinnern konnte, wie ich ins Bett gekommen war, und ich verstand nicht, weshalb ich so starke Kopfschmerzen hatte. Während meine Großmutter in die Küche hinüberging, stand ich müde auf, nahm meine Sachen und ging in den Flur hinaus. Die Kälte traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Fröstelnd stieg ich die Treppe hinauf. Auf halbem Weg hielt ich inne.
    Eine flüchtige Erinnerung blitzte in meinem Gedächtnis auf. Es war das Fragment eines Traums, den ich gehabt hatte. Nur ein Schatten war von ihm geblieben, und sosehr ich mich anstrengte, ihn zu erhellen, es gelang mir nicht. Ich konnte mich nicht an den Traum erinnern. Bis auf jenes eine dürftige Fragment. Es hatte mit dem Kleiderschrank in meinem Schlafzimmer zu tun.
    Fröstelnd unter meinem dünnen Nachthemd, stand ich auf der Treppe und kämpfte einen fruchtlosen Kampf mit meinem widerspenstigen Gedächtnis. Irgendwann im Lauf der Nacht hatte
    ich etwas sehr Seltsames geträumt. Und es war in dem Traum um den Kleiderschrank gegangen.
    Ich schüttelte verstimmt den Kopf. Der Traum war verloren und ließ sich nicht zurückholen. Ich stieg die letzten Stufen hinauf und ging ins Badezimmer.
    Einige Zeit

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