Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
Vom Netzwerk:
nach.
    »Tut mir leid«, gab sie zurück, »aber Brandy hab ich nicht im Haus.«
    »Aber natürlich!« widersprach ich kopfschüttelnd über die Vergeßlichkeit des Alters und ging zur Vitrine. Ich sah das alte Teeservice und die in Leder gebundenen Bücher, und da fiel es mir ein. Den Brandy hatte es damals gegeben. Ich drehte mich hastig um und sah meine Großmutter in der Küche verschwinden. Mir wurde ganz heiß im Gesicht. Begann ich schon, Illusion mit Wirklichkeit zu verwechseln? Eine erschreckende Vorstellung.

    Als Großmutter wieder ins Zimmer kam, stand ich immer noch bei der Vitrine.
    Sicherlich verriet mein Gesicht meinen Schrecken, aber sie bemerkte es nicht. Sie reichte mir das Glas mit dem gewärmten Likör und wandte sich von mir ab. Ich war erleichtert, als Elsie und Ed kamen. Sie waren die Gegenwart und die Vernunft. Ich mußte fort aus diesem Haus und dem Bannkreis seines unheimlichen Einflusses auf mich. Als wir im Flur in unsere Mäntel schlüpften, sagte Elsie: »Pack dich nur richtig ein, Andrea. Wir bekommen schlechtes Wetter. Im Westen sieht's nach Regen aus. Hoffentlich gibt es keinen Sturm.«
    Mein Großvater saß aufrecht im Bett, als wir kamen. Seine Augen waren weit geöffnet, und er wirkte etwas wacher als die letzten Male.
    »Hallo, Dad«, sagte Elsie und nahm ihren gewohnten Platz ein.
    »Ich hab heute eine Überraschung für dich. Schau mal!« Sie nahm eine grün-goldene Dose aus ihrer großen Handtasche. »Sirup. Für den Nachmittagstee.«
    Mein Großvater lächelte beglückt.
    Ed, immer sanft und zurückhaltend, fragte gedämpft: »Fühlst du dich heute ein bißchen besser?«
    Mein Großvater nickte, als hätte er verstanden. Dann wandte er sich ganz überraschend mir zu. Mir wurde unbehaglich unter seinem Blick. Seine Augen waren so umflort, ihr Ausdruck so unergründlich, daß unmöglich zu erkennen war, was in ihm vorging.
    Vielleicht hatte er sich in meine Richtung gewendet, weil er das Scharren meines Stuhls gehört hatte. Vielleicht war es einfach seine Gewohnheit, erst nach dieser, dann nach jener Seite zu sehen. Ganz gleich, als er mich ansprach, war ich überrascht. »Ruth? Du bist also wieder da, hm?«
    »]a, Großvater, ich bin hier.« Vorsichtig griff ich nach seiner mageren, von Altersflecken übersäten Hand und tätschelte sie leicht.
    »Ruth? Du bist also wieder da, hm?«
    Elsie beugte sich über das Bett und sagte laut: »Das ist Andrea, Dad. Ruth ist in Los Angeles.«
    Er nickte und lächelte selig wie ein Kind. »Ja, ich weiß. Das ist unsere Ruth, ja, ja.«
    Elsie wollte erneut widersprechen, doch ehe sie etwas sagen konnte, kam eine der Schwestern, blieb am Fußende des Bettes stehen und betrachtete meinen Großvater mit gespielter Mißbilligung. »Er will einfach nicht auf die Beine«, sagte sie zu Elsie und Ed. »Er will einfach nicht aufstehen und gehen. Stimmt's, Mr. Townsend?«
    Mein Großvater nickte, ohne den Blick von mir zu wenden. »Die Schwester redet mit dir, Dad, nicht mit Andrea«, sagte Elsie.
    Er drehte den Kopf und sah seine Tochter an. Das Lächeln blieb unverändert, die Augen schienen blicklos.
    »Die Schwester hat gesagt, daß du nicht gehen willst. Der Doktor möchte, daß du aufstehst und versuchst zu gehen. Wie willst du denn nach Hause zu Mama, wenn du nicht gehen kannst?«
    Mein Großvater nickte ihr lächelnd zu, und Elsie wandte sich achselzuckend zur Schwester. »Er kann uns heute überhaupt nicht folgen, nicht?«
    »Ach Gott«, meinte die Schwester, »es ist mal so, mal so mit ihm. Spät abends ist er immer sehr wach. Da spricht er so viel, daß wir ihn gar nicht zum Schweigen bringen können.« Elsies Gesicht zeigte Besorgnis. »Spricht er wirr?«
    »Das weiß ich nicht so recht. Ich verstehe meistens nicht, was er meint, aber Sie würden vielleicht wissen, wovon er spricht. Er unterhält sich mit Leuten, die nicht hier sind.«
    Ich spitzte die Ohren, als ich das hörte, und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Schwester. Sie war schon älter und trug einen dunkelblauen Kittel. »Mit wem unterhält er sich denn?« fragte ich. Elsie sagte: »Das ist meine Nichte aus Amerika. Die Tochter meiner Schwester. Als sie hörte, daß ihr Großvater krank ist, kam sie extra hergeflogen.«
    »Können Sie mir sagen, mit wem er spricht, Schwester?«

    »Nein, ich hab keine Ahnung. Was er sagt, ergibt keinen Sinn.«
    »Hat er Namen genannt?«
    »Andrea, was soll das?« fragte Elsie.
    Ungeduldig über die Unterbrechung antwortete ich: »Ach,

Weitere Kostenlose Bücher