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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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denn er kann nur die Zeitlosigkeit meinen, die Epochen, die spurlos an ihm vorüberzugehen scheinen. Aber ich möchte, dass er es sagt.
    Darius leert sein Glas. Meinen Grog habe ich längst ausgetrunken.
    »Hättest du es ausgehalten, mit mir zu leben? Die Angst vor Denunziation sicherlich, du warst mutig. Aber wie wäre es für dich gewesen, rastlos mit jemandem zusammen zu sein, der nicht existiert?«
    »Ich weiß es nicht«, sage ich und bin froh, dass er meine Hand nicht mehr berührt. Er hätte den Gedanken erfühlt. ›Ich hatte nicht die Chance, es auszuprobieren.‹
    Besser das Thema wechseln, ins Heute gehen. Dort gibt es keinen Schmerz und keine Bitternis. Dort kann ich fragen, was er tut, wohin er gerade unterwegs war, als ich ihn angesprochen habe.
    »Arbeitest du hier?«
    »Ja. Als Koch in einem der vielen Restaurants hier.«
    »Du wirktest zielstrebig. Habe ich dich nicht aufgehalten?«
    Darius winkt den Kellner heran und bittet um die Rechnung. »Ich hatte gerade Feierabend und wollte noch etwas essen. Ich esse gern hier auf den Landungsbrücken. Nur nicht dort, wo ich arbeite.«
    »Das spricht nicht für das Restaurant.« Das Gespräch stockt. In der Aktualität haben wir nichts auszutauschen außer Floskeln. »Warum hast du dir nichts bestellt?«
    Er zuckt mit den Schultern, schweigt, zündet sich noch eine Zigarette an und bezahlt sein Alsterwasser und meinen Grog. Erst, als der Kellner wieder fort ist, antwortet er. »Dann hätte ich mich so gebunden gefühlt.«
    Ich nicke und bedanke mich. Entweder es passiert jetzt irgendwas, oder ich muss auf die Uhr schauen und gehen. Froh, ihn wieder getroffen zu haben, frustriert darüber, wie das Treffen gelaufen ist. Nach fünfzig Jahren kann man nicht einfach anknüpfen. Und doch fühlt es sich an, als wäre ein Loch in die Sehnsucht gerissen. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihn nicht zu treffen, ihn nicht anzusprechen. Aber als ich ihn sah, hatte ich keine Wahl.
    »Nach so vielen Jahren wird es glaube ich Zeit, dass ich deine Wohnung mal kennenlerne«, sagt er. »Ohne Angst, ohne Vorsicht und ohne Bedenken.«
    »Lädst du dich gerade zum Essen ein?« Ich stehe auf, schiebe meinen Stuhl an den Tisch und schaue Darius an.
    »Ich bin sicher, du kochst hervorragend.«
    Ich fühle mich wie mit Zwanzig. Spannung erfasst meinen Körper, sogar eine leichte Geilheit, ein irrealer Gedanke angesichts Darius’ Jugend. Sofort schäme ich mich. Sowohl wegen der Erektion als auch wegen der Falten, der schlaffen Haut, des Bauchs, den ich in den Jahren angesetzt habe. Wieder bin ich froh, dass Darius mich gerade nirgends berührt.
    »Ob hervorragend, weiß ich nicht. Aber es lässt sich essen.«
    Auch er steht auf. »Dann komm«, sage ich und gehe langsam durch die Menschenmenge auf dem Ponton zu meinem Auto, das wie immer, wenn ich hier bin, im Parkhaus unter dem Hafenrestaurant steht.
    »Hast du kein Auto?«, frage ich, als wir uns in den Verkehr Richtung Helgoländer Allee eingereiht haben.
    »Ich bräuchte einen Führerschein. Und eine Identität.«
    Wieder Schweigen.
    Ich fühle mich etwas dumm, hätte selbst darauf kommen müssen, aber vielleicht bin ich einfach zu überrascht, um seine Lage zu sehen. In einem Ausweis müsste ein Geburtsdatum stehen, das bei ihm immer nach Fälschung aussähe. Wie alt ist er? Wie alt war er, als ich ihn kennenlernte? Er muss unglaubliche Angst vor Razzien gehabt haben, vor Erpressungen oder vor Kontrollen. Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass er keinen Pass haben könnte. Viel zu selbstverständlich erschien es mir, regelmäßig zu Behörden zu gehen, wenn ich den Wohnort wechselte oder wenn die Papiere abgelaufen waren. Bei Auslandsreisen, bei Kontoeröffnungen, beim Führerschein, sogar bei der Arbeitssuche. Man brauchte immer einen Beleg darüber, überhaupt zu existieren. Mein Beleg für seine Existenz war meine Erinnerung. Seine Berührungen, unsere Unterhaltungen, unser Ausflug in die Alpen, das alles machte ihn real für mich. Ich brauchte kein Stück Papier.
    »Worüber denkst du nach?«
    »Darüber, dass ich ein Phantom geliebt habe.«
    »Im juristischen Sinne schon. Erschreckt dich das?«
    »Ich weiß, dass es dich gibt.«
    Er fragt, ob er in meinem Auto rauchen dürfte, ich nicke. Dieses Mal lehne ich ab, als er mir eine anbietet. Er sitzt ja bei mir, wir wissen um einander. Ich muss sie nicht als Zeichen der Kontaktbereitschaft annehmen.
    »Darf ich dich fragen, wie alt du wirklich bist?«
    »Ja«, sagt er

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