Haus der Jugend (German Edition)
unten in die Küche. Zunächst öffneten wir auch dort die Fensterläden. Sie war kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte. Der Herd war nicht größer als der in Darius’ Wohnung. Daneben waren ein Spülbecken und ein Tisch, auf dem das Geschirr zum Trocknen abgestellt wurde. Gleich bei der Eingangstür erstreckte sich auf einer Seite ein großes Regal über die ganze Wand, in dem alles Geschirr offen stand. Irgendjemand musste es einmal selbst gebaut haben. Auf der anderen Seite der Tür war ein großer Kachelofen in die Wand eingelassen, über den die Wärme durchs ganze Haus verteilt werden sollte. Davor stand ein Bastkorb, in dem noch drei Scheite lagen. Unter dem Fenster war ein Tisch, gerade so groß, dass zwei Leute daran sitzen und arbeiten konnten.
Es gab keinen Kühlschrank. Nur im Fußboden eine Klappe, unter der ich einen Vorratskeller vermutete, der im Sommer genutzt würde.
Darius nahm sich den Bastkorb und ging durch die Gaststube nach draußen. »Komm mit!«, forderte er mich auf. Ich folgte ihm ums Haus und sah an der Nordseite einen Holzverschlag, der sich unterhalb der Fenster über die ganze Wand verteilte. »Hacken müssen wir jetzt zum Glück nicht«, stellte Darius fest und hielt mir den Korb hin, damit ich ihn mit Scheiten füllte. »Ist es trocken?«
»Ja.«
»Sonst hätten wir uns gegenseitig wärmen müssen.«
Während Darius Feuer machte, stellte ich unsere mitgebrachten Vorräte auf den Tisch unterhalb des Fensters. Beim Anblick des Brots, der Wurst und der Konserven wurde ich noch hungriger. Eigentlich konnte man in dieser Hütte gut leben. Ich fragte mich, was Darius’ Eltern den Winter über machten. Hatte sein Vater eine Arbeit, die er nur ein halbes Jahr ausführen brauchte? Oder reichten die Einnahmen aus dem Sommer auch für die Wintermonate? So lange sind wir nicht gelaufen, warum wohnten sie nicht das ganze Jahr in diesem Haus?
»Von wann bis wann leben deine Eltern hier jedes Jahr?«
Darius blickte nicht einmal auf. Ich nahm mir ein paar Holzscheite und feuerte den Herd. Nach der Reise würde eine Tasse Kaffee gut tun. Leider kam kein Wasser aus dem Hahn.
»Moment«, sagte Darius. »Ich muss erst den Haupthahn aufdrehen. Denkst du bitte mit mir daran, ihn wieder zu schließen, bevor wir das Haus verlassen. Sonst frieren die Leitungen zu und platzen.«
Ich lauschte auf die Geräusche, während er durch das Haus ging. Das Holz im Ofen knackte, durch das offene Fenster strömte leicht pfeifend frische Luft. Aus der Ferne hörte ich Darius’ Stimme: »Probier mal, ob Wasser kommt!« Es kam keines. Die Schritte verrieten mir, ob er gerade in der Nähe war. Zum Schluss kam er wieder in die Küche, öffnete die Klappe im Boden, stieg hinab, fluchte: »So ein Mist. Die Batterie der Taschenlampe ist leer. Kannst du mal schauen, ob du in einer der Schubladen welche findest?« Darius kam die Stiege wieder hoch. In der Hand hielt er eine Taschenlampe, die aussah, wie ein silberner Flachmann. Der Leuchtkörper sah aus wie ein überdimensionierter Augapfel und thronte wie ein Schraubverschluss auf der Lampe.
Ich zog eine Schublade nach der anderen heraus. In der dritten fand ich tatsächlich eine Batterie, die ich Darius in die Hand drückte. Der bedankte sich, steckte sie in die Lampe und verschwand wieder.
»Probier noch einmal!«, rief er nach oben. Jetzt kam Wasser. Jetzt konnte ich den Kessel füllen, auf den Herd stellen und die Kaffeekanne herrichten.
»Du warst anscheinend lange nicht hier«, sagte ich, als Darius die Bodenklappe wieder schloss. Ohne mich anzusehen, fragte er: »Warum?«
»Du bist durchs ganze Haus gegangen, dabei war …«
Darius winkte ab. Für einen Moment nahm sein Gesicht eine finstere Miene an, die mich verstummen ließ, doch gleich darauf lächelte er wieder, gab mir einen Kuss, sagte aber nichts.
›
Wir sind Einbrecher‹
, schoss es mir wieder durch den Kopf.
Darius machte uns in einem Topf Dosensuppe warm und wir aßen Brot mit Butter dazu. Am Abend saßen wir in der Gaststube, tranken Tee und spielten »Schiffe versenken« auf zwei Schreibblocks, die wir unter dem Tresen gefunden hatten. Nach der Anreise, der Bestellung des Hauses, als das Feuer im Ofen endlich für behagliche Wärme überall gesorgt hatte, brauchten wir uns nur noch zu genießen. Fritz, mein Chef, die Bergmosers, die Zukunft rückten in weite Ferne. Während des Spiels waren wir nur noch Gegenwart, voller Vertrautheit und voller Neugier aufeinander. Die Entdeckungen,
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