Haus der Jugend (German Edition)
Höhepunkt kam: einen Orgasmus, wie ich ihn in dieser Form noch nie erlebt hatte. Ich musste schreien, sonst wäre ich geplatzt. Darius fuhr fort, ohne in der Berührung fester zu werden, streichelte, bis alle Anspannung von mir abgefallen war, der Druck sich entladen hatte und meine Stimme versagte. Erst dann öffnete ich die Augen wieder, erst dann setzte sich Darius auf mich, ohne das Sperma auf meinem Bauch zu beachten und massierte mit kräftigem Druck meine Brust. Erst dann näherte er sich meinem Gesicht und gab mir einen Kuss.
»Siehst du, wie schön es ist, wenn man sich rückhaltlos öffnet?«, fragte er, während ich ihn an mich zog und umarmte.
»Du versaust die Klamotten«, antwortete ich und küsste ihn auf die Stirn.
»Bis morgen ist das getrocknet.«
Ich versuchte, ihn auszuziehen, aber wegen der doppelten Kleidung musste er mir helfen. Es wurde Zeit, seinen Körper zu sehen, ihn zu streicheln, ihn zu küssen, auch wenn ich das mit der Ausdauer, die Darius bei mir gezeigt hatte, nie könnte.
Darius schüttelte den Kopf, als ich mich über ihn knien und ihn streicheln wollte. »Nein«, sagte er. »Heute ist dein Tag. Bist du bereit?«
»Ja.« Ich war zu allem bereit, was er wollte. Er erhob sich, drückte mich wieder auf das Bett, drehte mich zurück auf den Rücken und streichelte mir, dieses Mal fester, die Innenschenkel der Beine entlang.
»Dann schließ die Augen und entspann dich.«
Ich gehorchte, spürte, dass Darius meine Beine spreizte, spürte seinen Atem, erst an meinem Hoden, dann an meinem Hintern. Wie kühlen Wind, der durch einen Tunnel bläst. Ich fühlte seine Zunge in meiner Rinne. Feucht drang sie in mich ein, Vorhut für einen Finger, für zwei, für drei, die ihrerseits nur die Vorhut für den endgültigen Akt waren.
Meine Lippen bebten, meine Zähne klapperten, meine Härchen stellten sich auf. Der ganze Siegfried war auf Empfang gestellt wie ausgerichtete Antennen und bewegte sich höchstens, um das Signal zu verschärfen. Ließ es mich explodieren, als meine Worte mich über die Haut verließen, so implodierte ich bei der Berührung von innen. Ich nahm auf, pulsierend und rhythmisch, ich stöhnte, keuchte, schrie. Atemlos, weil die Spannung mir die Luft nahm wie ein Film von Hitchcock. Und ich kam ein zweites Mal, kurz bevor auch Darius mir gab, was er hatte, bevor auch er kreischte und sich von mir löste.
Noch zitterte ich. Wie der Puls nach einem Marathon senkte sich auch die Spannung nicht plötzlich, sondern brauchte Zeit. Darius legte sich auf mich, ich nahm ihn in die Arme, mehr, um mich festzuhalten als ihn, spürte seinen wieder erschlafften Penis auf meinem Bauch, seine Lippen auf meinem Mund, seine Freiheit, seine Liebe, sein Sein.
Ich weinte.
»Was ist los?«
»Nichts.«
11.
War es das schon wieder? Ein Abend gemeinsam vor dem Fernsehgerät, eine Nacht, die wir nebeneinanderlagen, ein Morgen, hektischer als geplant?
Nichts geklärt, nur ein Geheimnis erfahren, über das ich doch nichts weiß?
Ein Kuss zum Abschied, ein paar Blicke hinter ihm her, als Darius sich umdreht, die Plastikdose mit den Pfannkuchen in den Händen, und auf den Ponton der Landungsbrücken verschwindet?
Damals konnte ich ihn nicht gehen sehen. Es hat keinen Abschied gegeben. Heute fehlen nur die Zukunft und die Worte darüber.
Ich kann doch nicht auf dem Ponton sitzen bleiben und warten, bis er Feierabend hat, ihm dann wie zufällig begegnen und ihn fragen, ob er mitkommen möchte. Meine Kunst hat sich immer mit der Freiheit befasst. Sie war das Grundthema, steckte in jedem Bild, das ich gemalt, in jeder Skulptur, die ich erschaffen hatte. Darius ist ein Mensch der Freiheit. Ich kann ihn nicht festbinden.
Kupplung treten, Gang einlegen, im Rückspiegel auf den Verkehr achten und Kupplung langsam wieder kommen lassen. In Grübeleien versunken mühsam konzentrieren und in der radiolosen Stille beinah das Klopfen an der Scheibe überhören. Im letzten Moment aufschauen. Sein Gesicht sehen, das dunkle Haar, die braunen Augen, das zaghafte Lächeln. Das Fenster an der Beifahrerseite herunterlassen, zurücklächeln, wortlos.
»Ich wollte dich um etwas bitten.« Zaghaft und brüchig klingt seine Stimme, nicht nach Unsterblichkeit, sondern klein und verloren. Er macht eine Pause, wartet, bis ich mit dem Kopf nicke und ihn ermutige.
»Ich weiß, ich habe es nicht verdient. Aber kann ich, solange ich in Hamburg bin, bei dir wohnen?«
Verdient. Muss Darius sich verdienen, die
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