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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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Auftragsbilder rechtzeitig fertigbekommen. Ein Luxus des Alters. Ich habe seit Jahren nicht mehr gemalt, nicht mal aus Freude daran.
    »Ich hätte dran denken müssen.«
    »Wann musst du denn anfangen?«
    »Um zehn.«
    »Ruf an, du bist krank«, sage ich. Darius schüttelt den Kopf. »Ich sage nur, dass ich später komme. Kannst du mich hinfahren?«
    Ich nicke. Er steht schon, schiebt sich noch einen Bissen in den Mund und läuft die Treppe hinauf, um sich anzuziehen. So schnell kann ich nicht mehr, aber ich folge ihm.
    Bevor wir losfahren, sieht er noch einmal auf den Frühstückstisch. »Darf ich ein paar davon mitnehmen?«, fragt er mit Blick auf die Pfannkuchen. Wieder nicke ich, hole eine Plastikdose.
    Im Auto schweigen wir. Ich möchte ihn fragen, ob ich ihn auch wieder abholen darf, wenn er fertig ist. Ob er bei mir leben will, solange er es möchte. Aber ich konzentriere mich auf den Verkehr, ärgere mich über das kleine Krokodil »Schnappi», das im Radio besungen wird. Darius schaut manchmal zu mir, meistens jedoch auf die Straße. Auf seinem Schoß die Plastikdose. Ich frage nicht einmal, was sein Chef am Telefon gesagt hat. Vor dem Pupasch an den Landungsbrücken halte ich an, schalte das Radio aus, aber lasse den Motor laufen.
    »Danke«, sagt Darius und gibt mir einen Kuss. Einen offenen Kuss für jeden zu sehen, doch niemand achtet darauf. Wäre das doch damals schon möglich gewesen …
     

10.
     

    Das Gewicht des Rucksacks drückte meine Schultern nieder. Wir stapften über leicht aufgeweichte Wege. Es taute. In der Bahn schon hatte ich Darius gefragt, was es für eine Hütte wäre, in die wir fuhren.
    »Einfach eine Hütte, nichts Großes. Ein paar Zimmer mit Betten drin, eine Küche, eine Gaststube. Mehr nicht. Im Winter ist sie nicht bewirtschaftet und steht leer.«
    Im Bus hatte ich noch einmal unruhig gefragt: »Aber wir dürfen hinein?«
    »Natürlich.«
    Ich wurde das Gefühl nicht los, irgendwo einzubrechen und dabei erwischt zu werden. Dabei war es doch unser festes Ziel, ein Verbrechen zu begehen, jedenfalls meines. Kam es da auf einen Einbruch noch an?
    Neugierig folgte ich Darius, mein Rücken schmerzte etwas, die Schritte fielen schwerer, aber es war wirklich kein Haus mehr zu sehen. Fernab der Straßen kam uns auch kein Wanderer entgegen. Wir hätten herumtollen können wie ein verliebtes Paar, ohne jemanden zu stören. Aber ich war müde, hatte Hunger und hoffte, bald am Ziel zu sein.
    »Und im Sommer bewirten deine Eltern die Hütte?«
    Darius drehte sich nicht um. Bei dem Wind wäre es ein Wunder, wenn er mich überhaupt gehört hätte. Endlich bog er in einen Waldweg. Hier war es weniger matschig, dafür kühler. Ich holte auf, der Weg war breit genug, neben Darius zu gehen.
    »Du hast es bald geschafft«, sagte er lächelnd. Dabei hatte ich mich gar nicht beschwert.
    »Ich bin schon neugierig.«
    Der Wald lichtete sich. Obwohl der Himmel über uns grau war, wurde es so hell, als schiene die Sonne. Im Schutz einer Erhebung drückte sich die Hütte an den Hang. Sie war größer, als ich sie mir vorgestellt hatte, fast ein richtiges Einfamilienhaus mit zwei Etagen und einem hölzernen Balkon. Das Holz war dunkel gebeizt, aber nicht verwittert. Auf der Terrasse und vor der Eingangstür lag Laub. Darius öffnete eine unauffällig in das Holz gebaute Klappe neben einer Regenrinne und holte ein Schlüsselbund heraus. Während ich den Rucksack absetze und fror, ging mein Freund um das Haus und öffnete die Vorhängeschlösser vor den Fensterläden und Türen. Erst danach nahm er einen neuen Schlüssel und öffnete das Haus.
    »Herzlich willkommen«, sagte er und trat ein. Ich folgte ihm. Drinnen war es dunkel. Nur durch die Tür kam ein bisschen Licht ins Haus. Die Fensterläden waren von innen noch mit Flügelschrauben befestigt, die Darius löste. Mit jedem Fenster wurde es heller. Ich stand im Gastraum zwischen Bänken und Tischen aus hellem Eichenholz. Der Fußboden war aus schlichten Fichtenholzlatten gezimmert, denen die Zeit eine dunkle Patina gegeben hatte. Dem Eingang gegenüber stand ein Kneipentresen mit ein paar Hockern und einer Zapfanlage. Meinen Rucksack stellte ich auf dem Fußboden ab.
    »Kann ich dir helfen?«
    Es war kalt in der Hütte und ich hätte mich um Feuer kümmern können, aber ich sah weder Feuerholz noch einen Ofen. Auch hätte ich die Konserven auspacken können, wenn ich gewusst hätte, wohin damit. Drei Türen waren in der Stube zu sehen, alle

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