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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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Vernunft flüsterte mir ein, dass er nicht antworten würde. Hätte er das gewollt, hätte er nicht feige vor mir fliehen müssen. Die Fassungslosigkeit presste mich auf meinen Stuhl und ließ mich gar nichts tun, nur essen.
    Als ich satt war, benebelte ich mich mit Beschäftigungen, räumte ab, spülte das Geschirr, stellte es in den Schrank und versuchte, meine Spuren zu verwischen. Bei jedem Geräusch, das ich verursachte, zuckte ich zusammen. Ich fühlte mich wieder wie ein Einbrecher in dieser Hütte. Es war das Haus von Darius’ Eltern. Ich konnte nicht bleiben, es war nicht meine Hütte. Ohne Darius war ich nicht einmal mehr Gast. Ich hatte hier nichts zu suchen. Doch ich suchte – wenigstens nach einem Zettel, einem Brief, einem Grund, einem Zeichen. Nichts davon fand ich. Einen Weg hatte ich hier mit seiner Hilfe finden wollen, eine Zukunft jenseits des Studiums, Antworten. All das hatte ich so wenig gefunden wie eine Nachricht meines Freundes. Ich ging hinauf mit dem festen Plan, meine Sachen zu packen, alle Luken wieder zu verschließen, mein Zimmer bei den Bergmosers zu kündigen und nach Altfraunhofen zurückzukehren.
›Ich bin gescheitert, nehmt ihr mich trotzdem?‹
    Erst dann sah ich die Bettwäsche an der Tür. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein sie schon vorher registriert und ich war mir deshalb so sicher gewesen. Aber wahrgenommen habe ich sie erst mit dem Betreten des Zimmers, dem einzigen Platz, an dem ich nicht gesucht hatte. Sie lag am Boden, unordentlich zusammengeknüllt wie Abfall, den man für andere liegen lässt. Wo sollte ich damit hin, wohin mit meiner Bettwäsche, wenn ich sie abgezogen hätte? Einfach dazu werfen? Wäre das für Darius’ Eltern in Ordnung gewesen?
    Wohin sollte ich mit mir, einem jungen Mann, der innerhalb weniger Tage alles ruiniert hatte, das ihm etwas bedeutete: sein Praktikum, sein Studium, seine Liebe, seine Zukunft, sein Leben? Die einen hatten mich rausgeschmissen, der andere war vor mir geflohen, wie vor einem Ungeheuer, und hatte alle Zusagen, alle Berührungen und alle Ekstase zerknüllt auf den Fußboden geworfen und nur sie zurückgelassen. Was war ich für ein Mensch?
    Ich wollte das Bett abziehen, immer noch, wollte die Hütte aufräumen, immer noch, aber mir fehlte die Kraft. Ich setzte mich und starrte schwarze Löcher in das Zimmer, tauchte in eine Fruchtblase aus Selbstmitleid, in der ich nichts sah, hörte, roch oder fühlte. Als sie zerplatzte, wurde ich nicht neu geboren, sondern saß immer noch auf dem Bett. Die Sonne schien nicht mehr durch das Fenster, sonst hatte sich nichts verändert.
    Was sollte ich tun? Aufstehen, vor die Hütte gehen, eine Zigarette rauchen und hoffen, daraus Erkenntnis zu gewinnen. Bergluft und Nikotin wie ein heilsames Kraut inhalieren und mich erfassen lassen von der Ruhe.
    Keine Antworten, nur Stille. Leises Rascheln im fernen Unterholz, zartes Wispern in den Blättern. Friede, der meinem inneren Aufruhr Hohn sprach und mich trotzdem erreichte. Mit jedem Zug meiner Zigarette. War ich noch hinausgeeilt, als triebe mich jemand zur Eile, dieses Haus zu verlassen, setzte ich mich draußen auf den Stamm eines gefällten Baumes, blickte mich um und resignierte. Wozu hetzen ohne Ziel? Gut, ich hatte eines, aber das war der Notfallplan. Wollte ich das? Wozu in den Untergang laufen? Ich konnte genauso gut hier auf ihn warten, mich vor der Welt verstecken, bis jemand die Polizei alarmierte. Die unruhige Hetze hatte mich erstarren lassen, die Resignation füllte mich mit Aktivität. Ich würde einfach so tun, als wäre Darius noch da. In der Hütte bleiben, solange die Vorräte und mein Geld reichten, dann die hundertfünfzig Kilometer nach München zurückwandern, zu Darius in die Wohnung gehen und ihn fragen, warum er gegangen ist. Wahrscheinlich musste er einfach wieder zur Arbeit.
    In der Gaststube schaute ich in meine Geldbörse. Es reichte noch für eine Bahnfahrt oder ein paar Einkäufe im Ort. Von den Vorräten in der Küche und dem Keller darunter konnte ich noch ein paar Tage leben, nur der Kaffee wurde etwas knapp. Auf alle Fälle brauchte ich noch eine Schachtel Zigaretten gegen die Langeweile, auch wenn im Schlafzimmer genügend Bücher standen. Ich konnte immer nur begrenzte Zeit lesen, bevor ich den Gedanken eine Pause gönnen musste. Oder las ich, um mir eine Pause vor den Gedanken zu gönnen?
    Es fühlte sich an, als hätte ich einen fremden Entschluss gefasst, als hätte das Haus mich gelähmt, solange

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