Haus der Jugend (German Edition)
Toast und Butter. Darius hängt etwas Eigelb an der Lippe, das er wegwischt, bevor er antwortet.
»Um das, was du schaffen konntest. Dir einen Namen machen, berühmt werden, und vor allem: wunderbare Bilder.«
Ich trinke einen Schluck Wein, spiele dabei mit dem Glas an meinen Lippen, schaue in Darius’ dunkle Augen, warte darauf, dass er weiter spricht. Mir fällt keine Erwiderung ein, mit der ich den liebevollen Neid bremse, das Lob abmildern könnte. Alles, was ich sagen will, würde zurückweisen, was er ehrlich meint.
»Erinnerst du dich an dein Bild des nackten Darius in einer Gefängniszelle?«
»Natürlich.«
»Er stand mit dem Rücken zum Betrachter, das Gesicht zur Freiheit gewandt, die von Gitterstäben versperrt war. Zu sehen, aber nicht da. Anwesend, aber nicht erreichbar.«
Ich nicke. Für mich hatte es die Ferne des Freundes bedeutet. Er war bei mir, doch nur als Geist, nicht zu greifen, nicht für mich da, doch mein Leben bestimmend, wie ein Gefängnis. Gleichwohl wusste ich um die viel politischere Interpretation, die es in den Feuilletons und in den Köpfen der Menschen erfahren hatte.
»Es traf genau die Situation der Homosexuellen zu der Zeit. Sie wurden verfolgt und bestraft, sie sehnten sich nach Freiheit und Liebe, beides schien so greifbar nah und war doch unerreichbar. Gleichzeitig waren sie in ihrer Sexualität gefangen, die man verdammte, und die sich für sie so natürlich und warm anfühlte. Sie machten sich strafbar und konnten nicht anders. Immer pendelten sie zwischen dem Wunsch, daraus auszubrechen und dem, es sich darin bequem machen zu dürfen.
Du konntest Stellung beziehen, kämpfen. Darum habe ich dich beneidet. Du wurdest berühmt genug, offen bedroht und beschimpft zu werden, aber auch berühmt genug, Schutz zu genießen. Hätte man dich ins Gefängnis gesteckt, wären deine Bilder noch berühmter geworden. Du hast auf deine Weise einen Weg gefunden, für dich zu kämpfen und dadurch nicht nur für dich viel erreicht. Und ich habe voller Stolz, dich zu kennen, verfolgt, wie groß du geworden bist und deinen Mut bewundert.«
Jetzt muss ich abwiegeln. Er übertreibt. Ich habe Bilder gemalt, weil ich nicht anders konnte, habe Männer gemalt, weil ihnen meine Sehnsucht galt. Aber ich wollte politisch nichts bewirken. Ich war nicht mutig. Ich habe die Bilder immer so gemalt, dass sie keinen Anstoß erregen konnten.
»Dir hätte doch gar nichts passieren können«, antworte ich, stelle das Glas wieder ab und stecke mir etwas in den Mund, kaue, schlucke, warte, doch Darius sieht mich nur an. Ahnt er die Frage nicht, weiß er nicht, welcher Gedanke mir durch den Kopf geht? »Warum musstest du mich für meinen Mut bewundern?«
Er zuckt mit den Schultern. »Das Haus«, sagt er. »Die Entscheidung.«
Fragend schaue ich ihn an, doch, bevor er es mir erklären muss, fällt die Erinnerung über mich her, enthüllt ein neues Stück übermalter Leinwand, bläst die Farbe von dem Leben, das ich gewählt habe, und legt andere Farben und Formen frei: Dunkle Facettenaugen, Heuschrecken, ein festes Haus, einen Greis, der aussieht, wie ein Wolpertinger, mindestens hundertfünfzig Jahre alt.
5.
Trist waren die Wände des Pfarrhauses der St. Aloisius Gemeinde. Getünchter Gips auf nacktem Stein, graue Spuren vom Ruß der Kerzen. Es gab keinen Strom, im Ofen glühte nur wenig Kohle und das Wasser schleppte der Pfarrer aus einem Brunnen vor dem Haus heran.
»Verzeihung«, sagte er. »Das macht sonst mein treuer Diener, heute jedoch habe ich ihn nach Hause geschickt. Was wir zu besprechen haben, muss er nicht hören.«
Die kleinen Fenster ließen nur wenig Licht von der Straßenlaterne in den Raum. Der Pfarrer legte Kohle nach, schürte das Feuer im Herd und stellte einen Kessel auf die Platten. Das Essen, dieses Mal eine Suppe mit viel fettem Fleisch, Kartoffeln und zerkochtem Gemüse, stand, wie an jedem Abend der Reise, schon auf dem Tisch in der Küche, als hätte es nur auf mich gewartet. Es dampfte heiß und vom Geruch des gekochten Fleisches wurde mir etwas übel. Aber nach der Wanderung über die Schlangen hatte ich Hunger.
Neben einen Krug hatte der Geistliche ein Stück Kernseife und ein Handtuch gelegt, damit ich mir die Hände waschen konnte. Zögernd setzte ich mich an den Tisch. Im Gegensatz zu den anderen Häusern empfand ich es in diesem bei aller Gastlichkeit bedrückend. Das Kerzenlicht wärmte nicht, sondern leckte mit scharfer Zunge dunkle Schatten an die
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