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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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belassen? War es seine Auffassung von göttlicher Vergebung? Dann unterschied sie sich von allem, was ich bisher gehört hatte, was andere Pfarrer predigten. Das Lächeln blieb, das Schweigen blieb. Ich wusste, ich würde keine Antwort bekommen.
    »Vielen Dank«, sagte ich, erhob mich, ging in die Kammer, die er mir bei unserer Ankunft gezeigt hatte, zog mich aus, vergewisserte mich im Kerzenschein, keine Schlange unter dem Bett zu sehen, blies das Licht aus und schlief ein.
     

    Darius im Gewand des Pfarrers. Schlangen zu seinen Füßen, Heuschrecken auf seiner Schulter, die Augen starr immer auf mich gerichtet. Der Pfarrer hinter ihm, gekreuzigt. Schlangen am Holz, Heuschrecken auf den Nägeln, die durch die Hände geschlagen sind. Der Blick ist tot, das Lächeln ist tot.
    »Sie haben dir den Preis nicht gesagt!«, brüllt Darius, die Schlangen versuchen, dazwischen zu zischen, die Heuschrecken schlagen wild mit den Beinen und der Pfarrer reißt den Arm nach von, zieht den Querbalken des Kreuzes mit, versucht, Darius von hinten zu umschlingen, ihm den Mund zuzuhalten. »Der Preis! Achte auf den Preis.« Darius befreit sich, läuft über die Schlangen auf mich zu, das Kreuz mit dem angeschlagenen Pfarrer fällt nach vorn, die Heuschrecken schrecken auf und springen hinter Darius her. Immer näher kommt er. »Sie haben dir den Preis nicht gesagt!« Immer länger werden die Schritte, immer schneller. »Der Preis!« Anlauf, Absprung, Flug, bis er mich umrennen müsste. Nur ein Schatten befällt mich, landet auf mir und in mir, zieht durch mich hindurch. »Der Preis ist wichtig.«
    Dunkelheit. Keine Heuschrecken mehr, keine Schlangen, kein Pfarrer am Kreuz, kein Darius.
    Leises Licht von der Straßenlaterne schien durchs Fenster, ich hatte Durst, meine Hände krallte ich ins Laken, ich schwitzte und fror. Die Bettdecke war feucht. Ich stand auf, ging zum Fenster, öffnete es, klapperte mit den Zähnen.
    »Der Preis?«, fragten die Schlangen. »Du lernst, dich zu lieben, andere zu lieben, Gott zu lieben.«
    Tief durchatmen, Fenster wieder schließen, die Bettdecke umdrehen und unter der trockenen Seite wieder einschlafen.
    »Der Preis?«, fragte der Pfarrer. »Zufriedenheit.« Der Schein der Kerze flackerte über dem Lächeln. Bis die Nacht ihn erlosch und mich ruhig ins Morgenrot begleitete.
     

    Kein Pfarrer weit und breit am Morgen des ersten Februar. Frisches Brot stand auf dem Tisch, Butter, Käse, Wurst, Marmelade. Kaffee brodelte in der Kanne über einem Stövchen. Das kleine Fenster ließ nur wenig Tageslicht hinein, die getünchten Gipswände waren scheckig vom Ruß und jeder Schritt, jedes Scharren mit dem Stuhl, das Umrühren des Zuckers – jedes Geräusch, das ich machte – hallte verstärkt verstärkt von ihnen zurück. Das Gebet flüsterte ich, trotzdem knallte es wie Peitschenhiebe in meinen Ohren. Kaum traute ich mich zu kauen, achtete peinlicher als sonst darauf, nicht zu schmatzen. Das Haus versorgte mich, doch kam ich mir vor, als störte ich seinen Frieden. Was für ein Friede war es, in den ich eingedrungen war. Hatte es mich nicht dazu eingeladen? Schnell war ich satt, räumte wie üblich die Sachen zusammen, spülte das Geschirr, trocknete es ab. Niemand erschien. Auf dem Tisch suchte ich nach dem Zettel, doch er war nirgends zu finden. Weder fand sich ein neues Blatt Papier noch ein Stift. So ohne Dank mochte ich nicht gehen. Das Pfarrhaus war unheimlich, aber es hatte mir Nahrung und einen Platz zum Schlafen gegeben. Der Pfarrer hatte mit mir gesprochen, mich ein paar Antworten finden lassen und mir noch mehr Fragen gestellt, die offenblieben. Doch ich hatte zu danken. Durch das Haus horchend versuchte ich, anhand eines Geräuschs festzustellen, ob der Pfarrer daheim war und wo er sich befinden könnte. Aber die Stille wütete im Gemäuer.
    ›
Dann nicht‹
, dachte ich etwas trotzig, schulterte den Rucksack und machte mich auf den Weg. Vor der Tür saß der Pfarrer auf einer Bank, als machten ihm Wolken und Kälte nichts aus. Ich sah ihn erst, als er sich räusperte, lächelte bei seinem Anblick, auch wenn er so streng und starr aussah, wie zu Beginn unseres Gesprächs am Abend zuvor.
    »Ich habe Sie gesucht, wollte mich bedanken.«
    »Hast du dich entschieden?«
    »Nein.«
    Er blieb regungslos, weder Enttäuschung noch Erleichterung waren ihm anzusehen. Nüchtern erfasste er meine Antwort, erhob sich und reichte mir die Hand zum Gruß. »Ich wünsche dir alles Gute.«
    »Das wünsche ich

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