Haus der Lügen - 8
Andere Besatzungen haben ihre Schiffe in Brand gesteckt! Es war verständlich. Die unfassbare Feuerkraft der Charisianer hat mich ebenso überrascht wie jeden anderen auch. Aber was mir bei Ihren Berichten am meisten zusagt, ist, dass niemand in Panik geraten ist. Sie nicht, Ihre Offiziere nicht und Ihre Mannschaften auch nicht!
Weiterhin bin ich mir sicher, dass Sie viel dazugelernt haben. Diese Erfahrungen werden der gesamten Navy zugute kommen, und ich werde Sie alle beizeiten bitten, mit den anderen Kapitänen darüber zu sprechen. Langfristig wird Ihre jetzige Niederlage von unschätzbarem Wert für uns sein.
Was nun unsere Verluste angeht, so sollte man auch diese ein wenig relativieren. Gewiss, der Verlust der Prinz von Dohlar ist bedauerlich. Aber wir dürfen nicht vergessen, wie weit von ihrer Heimat entfernt die Charisianer sind. Es ist ganz offenkundig, dass zumindest eine ihrer Galeonen schwer angeschlagen wurde. Charis’ Verluste sind vielleicht ebenso hoch wie unsere. Aber Ersatz ist für die Charisianer Tausende von Meilen weit entfernt. Wir wiederum verfügen über voll ausgestattete Werften, die sich um die Schäden an unseren Schiffen kümmern können. Für die Charisianer sieht das anders aus. Bestenfalls haben sie die Klaueninsel, und ich mag die Bucht des Elends wahrhaftig nicht den idealen Ort nennen, um dort Reparaturen vorzunehmen. Ganz zu schweigen davon, dass der Gegner auch diesen ›Hafen‹ erst einmal erreichen muss! Unter diesen Umständen komme ich zu folgendem Schluss: Das Ergebnis dieser Schlacht ist schlimmstenfalls ein Unentschieden. Ich persönlich bin sogar der Ansicht, es war ein strategischer Sieg!«
Er schüttelte den Kopf.
»Eines ist sicher: Ein paar werden glauben, ich wolle die Lage nur schön reden. Wer das jedoch denkt, der täuscht sich. Ihre Entscheidungen, meine Herren, waren nicht perfekt, keineswegs. Gleich werden wir Fehler aufzeigen und analysieren, damit sie künftig vermieden werden können. Aber, meine Herren, Sie haben gekämpft , und zwar hart! Der Gegner wird sich in Zukunft, unabhängig von den Verlusten und Schäden, die Sie ihm beigebracht haben, lieber zweimal überlegen, ob er seine Streitkräfte in derart kleine Geschwader aufteilen will. Und das hat wahrhaft gewaltige Auswirkungen darauf, in welchem Maße Charis unseren Schiffsverkehr behindern kann.
Genau darüber habe ich mit Bischof Staiphan und den Herzögen Thorast und Fern gesprochen; genau das steht auch in meinem schriftlichen Bericht für Seine Majestät! Ich habe noch einmal unterstrichen, dass unsere eigene Flottenstärke wächst. Ich habe die Absicht, schon bald in die Offensive zu gehen, meine Herren, und wenn das geschieht«, er blickte ihnen der Reihe nach fest in die Augen, »werden Sie ganz vorn an der Spitze mit dabei sein.«
Alle vier Offiziere, sogar Rohsail, saßen nun kerzengerade in ihrem Sessel. Sie waren zwar immer noch müde und ausgelaugt, doch ihre Augen funkelten. Thirsk nickte befriedigt. Jedes seiner Worte war ihm aus dem Herzen gekommen. Oh gewiss, er hatte hier ein wenig beschönigt und dort ein wenig ausgeschmückt, aber alles in allem war er völlig aufrichtig zu den Männern gewesen.
Weil sie sich wirklich gut geschlagen haben – sogar verdammt gut , dachte er. Selbst wenn sie unbewusst, nein, selbst wenn sie bewusst dick aufgetragen haben sollten, haben sie zumindest einem der Charisianer den Hintern weggeschossen! Und das wissen die Charisianer genauso gut wie ich. Es wird in Zukunft ihre Taktik beeinflussen. Ihr Risiko ist gestiegen. Und es wird auch für unsere Mannschaften geradezu Wunder wirken. Natürlich werden wir uns nicht über Nacht in die Geißel der Weltmeere verwandeln. Aber diese Schlacht ist der erste Schritt dabei, uns selbst – und auch die Charisianer – davon zu überzeugen, dass Caylebs Navy in Wirklichkeit eben doch nicht unbesiegbar ist. Und das , meine Freunde, ist jeden einzelnen Mann wert, den Sie verloren haben, ja, und die Prinz von Dohlar lege ich als Dreingabe noch obendrauf!
»Und jetzt, meine Herren«, sagte er lächelnd, »nachdem ich Ihnen noch einmal versichert habe, dass ich Ihr Handeln voll und ganz billige, schauen wir uns die Fehler an, die gemacht wurden. Aber machen Sie sich keine Sorgen! Ich verspreche Ihnen«, sein Lächeln wurde ein wenig breiter, »nicht allzu unsanft mit Ihnen umzuspringen.«
.V.
HMS Dancer , Fundinsel, Golf von Dohlar
Finster blickte Sir Gwylym Manthyr auf die nachtblauen Wellen der
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