Haus der Lügen - 8
Tranjyr – wirklich niemand mit Ausnahme Sir Ryk Fharmyns – wusste von den Schreiben, die äußerst vorsichtig zwischen ihm und dem Ersten Ratgeber des Kaiserreichs Charis hin und her gegangen waren. Nicht einmal Baron Storm Keep gegenüber hatte er sie erwähnt! Wie also konnte dieser Fremde wissen ...?
»Ich ... ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, brachte er heraus. Doch selbst für seine eigenen Ohren klang es wie ein reflexartiges, instinktives Abstreiten, das mit der Wahrheit nicht allzu viel zu tun hatte.
»Aber Euer Majestät!«, schalt ihn der Silkiahaner und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ihr wisst ganz genau , wovon ich spreche«, fuhr er fort. »Aber wir haben nicht genug Zeit für Spielchen wie diese. Und nein: Sir Ryk ist nicht derjenige, durch den ich davon erfahren habe.«
Diese beiläufige Erwähnung Sir Ryks war dann doch zu viel. Wer auch immer dieser Wahnsinnige war, er wusste ganz offensichtlich über alles Bescheid!
»Also gut«, seufzte Gorjah. »Natürlich weiß ich, wovon Sie sprechen. Aber wer in Shan-weis Namen sind Sie, und was machen Sie in meinem Schlafgemach?!«
»Schon viel besser, Euer Majestät«, gab der Fremde beifällig zurück. »Was nun meine Person betrifft: Mein Name ist Ahbraim Zhevons. Ich weiß, dass Euch das nicht das Geringste sagt. Aber seht in mir einfach einen guten Freund von Merlin Athrawes. Dieser Name ist Euch gewiss geläufig.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Gorjah bedächtig und kniff die Augen zusammen. Jeder auf der ganzen Welt wusste, dass Merlin Athrawes ein Seijin war. Wenn dieser Bursche – dieser ... Zhevons – ein guter Freund des Seijin war, dann erklärte das vielleicht auch, wie er mitten in der Nacht in Gorjahs Schlafgemach hatte gelangen können. Noch während der König darüber nachdachte, überkam ihn das Gefühl, das Schicksal habe es alles andere als gut mit ihm gemeint. Nach so vielen Jahrhunderten, in denen nicht ein einziges Mal ein Seijin eindeutig als solcher erkannt worden war, erschien ihm vor allem eines schlichtweg ungerecht: Cayleb von Charis hatte anscheinend unbeschränkt viele davon in der Hinterhand, während ihm, Gorjah, kein einziger zur Verfügung stand!
»Darf ich dem entnehmen«, fragte er seinen Besucher, »das auch Ihr ein Seijin seid?«
»Sagen wir einfach nur, dass ich ebenso wie Merlin über gewisse Talente und Fähigkeiten verfüge, die den Seijins gemeinhin zugeschrieben werden«, gab Zhevons zurück. »Und da Merlin Athrawes sich im Augenblick auf der Rückreise von Corisande befindet und es bedauerlicherweise immer noch einige Fünftage dauern wird, bis er Tellesberg erreicht, könnte man sagen, ich würde ihn ... vertreten.«
»Ich verstehe.«
Einige Momente lang starrte Gorjah das Profil des Fremden an, das sich kaum erkennbar vor den Vorhängen abzeichnete.
»Da Ihr anscheinend als Bote gekommen seid ... dürfte ich mich dann wenigstens im Bett aufsetzen, ohne dass Euer Dolch irgendetwas ... Unschönes tut?«
»Aber bitte, Euer Majestät«, erklärte sich Zhevons höflich bereit.
»Ich danke Euch.«
Am liebsten wäre Gorjah aus dem Bett aufgestanden, einfach nur, um sich wenigstens so zu fühlen, als hätte er die Situation ein wenig im Griff. Andererseits befürchtete er, dass sein Anblick – nur mit einem Nachthemd bekleidet – nicht sonderlich Ehrfurcht gebietend gewirkt hätte. Also beschränkte er sich darauf, sich einige Kissen in den Rücken zu stopfen. Dann neigte er fragend den Kopf zur Seite.
»Also gut, Seijin Ahbraim. Weswegen genau wolltet Ihr mich sprechen?«
»Eigentlich dachte ich vor allem, es sei eine gute Idee, einfach vorbeizuschauen und mich Euch vorzustellen.« Kurz blitzten in einem Lächeln die Zähne auf. »Ich bin recht zuversichtlich, dass Eure Korrespondenz mit dem Grafen Gray Harbor beizeiten zu einem Ergebnis führen wird, das für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Aber bis dahin ist es wahrscheinlich, dass es Euch, während ich hier bin – nur um mich vorzustellen, bitte versteht mich nicht falsch! – durchaus interessieren könnte, dass Admiral Rock Point schon bald Verstärkung erhalten wird. Ich glaube, so etwas könnte man ein ›untermauerndes Argument‹ nennen.«
»Wie bitte?«, fragte Gorjah beinahe schon scharf nach.
Er wusste ganz genau, wie es um Rock Points derzeitige Truppenstärke bestellt war. Schließlich hatte sich dieser unverschämte Charisianer erdreistet, sich in der Holme Reach dauerhaft einzunisten. Natürlich
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