Haus der Lügen - 8
Und es wäre mir ganz recht, wenn keiner von uns mitten in der Nacht einen Mast verliert, bloß weil wir nicht genug gesehen haben.«
»Nun, Sir, das ist verständlich.«
»Gut.« Kurz fletschte Manthyr die Zähne. »Geben Sie Signal, solange wir noch genug Licht haben! Lassen Sie die obersten Rahen ab, und dann streichen Sie die Royal- und die Bramsegel und legen die Sturmplanen bereit!«
Mahgail hob eine Augenbraue. Ganz offensichtlich rechnete Manthyr damit, dass das Wetter noch deutlich schlechter würde. Entweder das, oder Sir Gwylym war plötzlich ungleich ängstlicher geworden, als Mahgail ihn jemals zuvor erlebt hatte.
Noch einmal schaute er zum dräuenden Westhorizont hinüber. Er kam zu dem Schluss, dass der Admiral richtig liegen könnte.
»Jawohl, Sir. Wird sofort erledigt«, sagte er.
.II.
HMS Rakurai , Golf von Dohlar
Achtzehnhundert Meilen östlich der Klaueninsel segelte HMS Rakurai langsam, aber stetig nach Westen. Die Nacht war bereits hereingebrochen. Graf Thirsk stand auf dem Achterdeck der Rakurai , eine Pfeife zwischen den Zähnen, und blickte zum klaren, sternenübersäten Himmel hinauf.
Dann senkte er den Blick wieder und betrachtete eine weitere Sternenlandschaft – die Positionslichter einer ganzen Flotte.
Seiner Flotte.
Sie bestand aus zweiundvierzig Galeonen, fast die Hälfte des gesamten Beitrags des Königreichs von Dohlar zur gewaltigen neuen Navy von Mutter Kirche. Bei achtundzwanzig Schiffen handelte es sich um umgebaute Handelsgaleonen wie die Rakurai selbst. Die anderen vierzehn jedoch waren eigens als Kriegs galeonen konstruiert, allesamt Schwesterschiffe der Großvikar Mahrys unter dem Kommando Sir Dahrand Rohsails. Tatsächlich war, wie Thirsk versprochen hatte, auch die Großvikar Mahrys mit dabei. An ihrem Besan flatterte der Wimpel eines Divisionskommandeurs. Thirsk war immer noch der Ansicht, Rohsail sei eine arrogante, starrsinnige, aristokratische Nervensäge. Es ließ sich aber nicht bestreiten, dass der Mann ein echter Kämpfer war. Und wenn ein Mann derart viel Mut unter Beweis stellte, wie Rohsail das getan hatte, dann war Thirsk bereit, über eine ganze Reihe von Dingen wohlwollend hinwegzusehen.
Soweit Thirsk die Stärke des charisianischen Geschwaders hatte abschätzen können, bestand sie aus höchstens fünfundzwanzig Galeonen. Zum gegnerischen Geschwader gehörten deutlich weniger Schoner, als er bei einer solchen Expedition mitgenommen hätte. Es gab keinerlei Hinweis darauf, dass es in Charis plötzlich zu einem Engpass beim Bau leichter Kreuzer gekommen wäre. Daher musste das Fehlen dieser Schiffe auf den Fehler eines Entscheidungsträgers zurückzuführen sein. Das war durchaus beruhigend. Es war nett mitzubekommen, dass auch Charisianer Mist bauen konnten.
Das Ziel, Lywys , rief er sich ins Gedächtnis zurück, ist es, sie Mist bauen zu lassen!
Angesichts dieses Gedankens zuckten kurz seine Mundwinkel. Wenigstens einmal am Tag dachte Thirsk über genau diese Problematik angestrengt nach.
Die Schlacht vor der Dracheninsel hatte Bischof Staiphan genau die Munition verschafft, die Thirsk benötigte, um die Forderungen seiner politischen Gegner, endlich zu handeln, als übereilt abzuwehren. Die Dohlaran Navy habe die Prinz von Dohlar verloren, hatte der Bischof beißend angemerkt, aber dennoch hätten sich die Schiffe dieser neuen Navy ungleich besser geschlagen als jeder, der bislang mit der Imperial Charisian Navy die Klingen gekreuzt habe. Unter diesen Umständen erschien es den Obrigkeiten an Land ratsam, sich endlich doch noch nach Admiral Thirsks Empfehlungen zu richten. Thirsk wusste nicht genau, was Bischof Staiphan in seinen über Semaphoren übermittelten Depeschen an den Tempel über die Schlacht berichtet hatte. Danach aber hatte Allayn Maigwair den Bischof nachdrücklich unterstützt.
Und wie hieß es so schön? Das wäre das . Zumindest vorerst.
Das ist ja alles schön und gut , dachte Thirsk nun. Eigentlich hast du sogar viel mehr erreicht, als du dir je vorgestellt hast. Du hast doch eigentlich eher damit gerechnet, dass Thorast dich wieder an Land zurückbeordert ... oder dass ihm noch etwas viel Unschöneres einfiele. Aber jetzt liegt es an dir, zu beweisen, dass Bischof Staiphan dich mit Fug und Recht unterstützt hat. Und das heißt, du musst ein paar Charisianer auftreiben und ihnen so richtig in den Hintern treten ... und genau deswegen bist du an diesem wunderschönen Abend auch dreitausend Meilen weit von deinem Zuhause
Weitere Kostenlose Bücher