Haus der Lügen - 8
weiter nach Osten zu fliehen – tiefer in den Golf hinein. Im Gegensatz zu Raisahndos Zielobjekt schien die Takelage dieses zweiten Charisianers unbeschädigt. Er schaffte es, den Abstand zu seinen Verfolgern allmählich zu vergrößern. Aber selbst wenn der Charisianer seine Verfolger ganz abzuschütteln vermochte, würde er letztendlich am Rest von Thirsks Flotte vorbeikommen müssen, wenn er den Golf wieder verlassen wollte.
Wichtiger noch: Die Charisianer hatten, alle Schiffe zusammengenommen, nicht mehr als zwanzig Galeonen. Von zweien dieser zwanzig kannte Thirsk nun bereits die Position. Also konnten sich jenseits des westlichen Horizonts der Rakurai allerhöchstens achtzehn weitere befinden.
Selbst wenn man nicht die Schiffe mitzählte, die den zweiten Charisianer verfolgten, hatte Thirsk neununddreißig .
»Ahlvyn«, sagte er, ohne den Blick von der Karte abzuwenden.
»Jawohl, Mein Lord?«, erwiderte Commander Khapahr sofort.
»Lassen Sie Captain Baiket Signal an alle Schiffe geben: ›Vermutlich maximal achtzehn Feindschiffe, Kurs West, Abstand fünfzig Meilen. Alle gangbaren Segel setzen. Kampfbereitschaft herstellen.‹«
Die Mittagsstunde war gerade verstrichen, als man vom Achterdeck der Dancer aus die erste dohlaranische Galeone ausmachen konnte. Es waren sogar gleich vier Stück auf einmal. Die beiden vordersten Schiffe lieferten sich bereits seit mehr als einer Stunde ein Langstrecken-Feuergefecht mit der Talisman, als Manthyr die Schiffe mit dem Fernrohr ausmachen konnte. Es war unwahrscheinlich, dass die Langrohr-Vierzehnpfünder der Talisman über eine derart große Distanz hinweg ernstlichen Schaden zufügten. Noch unwahrscheinlicher war es, dass die leichteren Zwölfpfünder der Dohlaraner allzu viel ausrichteten. Vor allem, da keiner der Verfolger mehr als zwei Geschütze zum Einsatz bringen konnte, während die Talisman immerhin über vier Heckgeschütze verfügte. Natürlich wäre möglich, dass der Gegner einen Glückstreffer landete, und wie die trägen Bewegungen der Dancer nur allzu deutlich zeigten, konnte ein Schaden in der Takelage die Manövrierfähigkeit eines Schiffes empfindlich einschränken. Bei einer steifen Brise wie der vorherrschenden waren reichlich Segel gesetzt und damit das Risiko groß, dass eigentlich unbedeutende Treffer ernsten Schaden verursachten.
Der Talisman war kein solcher Glückstreffer gelungen. Als der Abstand zu den Verfolgern sich allmählich verringerte, wurden Captain Klahrksains Berichte deutlich detaillierter ... und deutlich hoffnungsloser.
Hinter der Talisman befanden sich mindestens dreißig dohlaranische Schiffe. Sogar vom Achterdeck aus konnte Manthyr die Bramstengen von mindestens zwanzig davon bereits sehen. Im Gegensatz zu seinem eigenen Schiff waren sie offenkundig unbeschädigt.
Wie zur Hölle hat Thirsk das hinbekommen? , fragte eine kleine Stimme in Manthyrs Hinterkopf fast beiläufig. Er kann doch unmöglich das durchgemacht haben, was wir überstehen mussten! Also wie ...
Natürlich, die Saram Bay! Das war die einzige mögliche Erklärung angesichts der relativen Position der beiden Streitmächte zueinander und des derzeitigen Kurses der Dohlaraner. Sie hatten Zuflucht in der Bay gesucht, hatten den Sturm ausgesessen und danach die Jagd wieder aufgenommen.
Und dieses Mal hatten sie dabei auch noch Glück.
Sir Gwylym Manthyr war wahrhaftig kein Schwarzseher, aber er war Realist. Selbst wenn man die Talisman zu den Schiffen hinzuzählte, die im Verband mit der Dancer in diesen Gewässern kreuzten, kam er insgesamt nur auf acht. Acht Schiffe ... vier davon manövrierfähig. Die Klippenstraße und die Dancer verdienten diese Bezeichnung jedenfalls nicht. Die Damsel , ein umgebautes Handelsschiff, hatte ihren Fockmast und die Großmarsstenge verloren. Sie war in kaum besserem Zustand als die Dancer , und ihre Reparaturen gingen deutlich langsamer voran. Die Avalanche , ebenfalls ein umgebautes Handelsschiff, hatte Klüverbaum und Bugspriet verloren, als sie geradewegs in eine entschieden zu massive Welle hineingelaufen war. Die so verlorene Segelfläche war zwar nicht gewaltig, aber für das Manövrieren waren gerade diese Vorsegel ganz besonders wichtig. Fast noch schlimmer: Sie hatte alle vier der unerlässlichen Stagen verloren, die das komplexe Zusammenspiel von Fockmast und Bugspriet stabilisierten. Und damit war der Zusammenhalt ihrer gesamten Takelage ernstlich geschwächt. Die Mannschaft hatte zwar eine überzählige
Weitere Kostenlose Bücher