Haus der Lügen - 8
gegenüber nicht ungerecht zu sein: Dinge, die Handel und Schifffahrt betreffen, liegen wirklich recht weit außerhalb seines Fachgebiets.«
»Ich weiß.« Abwehrend hob Clyntahn die Hand. »Und das wusste ich auch schon, als ich Sie ein wenig gepiesackt habe. Aber was ich gesagt habe, bleibt trotzdem gültig. Ich denke, wir müssen den plötzlichen Anstieg im Handelsverkehr rings um Tarot durchaus ernst nehmen. Ich halte es für möglich, ja, sogar für wahrscheinlich, dass Gorjah insgeheim mit Cayleb eine Abmachung getroffen hat.«
»Was für eine Art Abmachung denn?«, erkundigte sich Duchairn.
»Das weiß ich nicht«, gab Clyntahn nachdenklich zurück und schürzte die Lippen. »Es könnte etwas ganz Einfaches sein: inoffizielle effektive Neutralität. Oder es könnte bedeuten, dass er tatsächlich derjenige war, der seinerzeit unsere Pläne verraten hat. Und jetzt hat er seine alten Kontakte lediglich wieder aufgenommen. Aber wie dem auch sei: Es ist möglich, dass die Charisianer genügend Schiffsladungen durchlassen, um die Rohstoffknappheit in Tarot deutlich zu lindern, ohne dass auch nur eine der beiden Seiten offiziell offenlegen muss, was sie im Schilde führt.«
»Aber eigentlich machen Sie sich Sorgen darum, dass Gorjah ein zweiter Nahrmahn werden könnte«, fasste Trynair zusammen.
»Ja.« Clyntahn zuckte die massigen Achseln. »Das wäre zumindest das Schlimmste, was er uns antun könnte. Und es ist stets ratsam, das Schlimmste zu befürchten.«
»Und warum lassen wir ihn dann nicht einfach in Gewahrsam nehmen?«, meldete sich nun Allayn Maigwair zu Wort. Die anderen drei drehten sich zum Captain General des Tempels um. Abwehrend hob Maigwair die Hände. »Ich meine, wenn wir befürchten, er könnte uns verraten, warum sollten wir ihn nicht durch die Inquisition in Gewahrsam nehmen lassen, solange wir den Vermutungen nachgehen?«
»Unter anderen Umständen wäre das vielleicht gar kein so schlechter Gedanke, Allayn«, gab Trynair ruhig zurück. »Aber hier liegt der Fall anders. Nehmen wir an, Gorjah hat wirklich die Absicht, Nahrmahn nachzueifern. Nehmen wir weiterhin an, seine Pläne sind schon so weit gediehen, dass Cayleb und Sharleyan die Blockade bereits deutlich gelockert haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir davon ausgehen, dass Gorjah auch noch in anderer Hinsicht Nahrmahns Vorgehen nachahmt: Er wird sich abgesichert haben. Seien wir doch ehrlich: So weit von Zion entfernt muss sich die Inquisition auf ihre moralische Autorität und ihre Macht verlassen, notfalls die weltliche Obrigkeit zur Unterstützung von Mutter Kirche herbeizurufen. Sie kann ja nicht einfach die Tempelgarde aufmarschieren lassen. Sie wissen doch selbst – und das wahrscheinlich besser als jeder andere –, dass uns noch nie auch nur ansatzweise genug Gardisten zur Verfügung gestanden haben, um überall auf der Welt alles hinreichend abzusichern, was eigentlich abgesichert sein sollte! Ich bezweifle, dass es in ganz Tarot mehr als nur ein paar Hundert Gardisten gibt. Wenn also Gorjah ein paar tausend Männer hat, die bereit sind, seinem Befehl zu folgen und Mutter Kirche zu trotzen, wäre es unmöglich, ihn in Gewahrsam zu nehmen.«
»Und ein Versuch, ihn festzunehmen, der dann scheitert , wäre noch viel schlimmer«, setzte Duchairn hinzu. Sofort drehten sich seine Kollegen nach ihm um, und er zuckte mit den Schultern. »Denken Sie doch einmal darüber nach! Wenn wir seine Festnahme anordnen, ohne dass wir einen Beweis für sein Fehlverhalten vorbringen können, dann bieten wir ihm doch einen wunderbaren Vorwand, sich von Mutter Kirche abzuwenden. In den Augen der Welt hätte er aus Notwehr gehandelt. Unsere Entscheidung, ihn in Gewahrsam zu nehmen, wäre dann nur ein weiteres Beispiel der Korruption und der Launenhaftigkeit von Mutter Kirche.«
»Ich sage das wirklich äußerst ungern, aber ich fürchte, Rhobair hat Recht.« Clyntahn seufzte schwer. »Ich selbst habe mich auch schon gefragt, ob Gorjah nicht versucht, mich – uns – genau dazu zu provozieren. Wenn er wirklich schon bereit ist, Farbe zu bekennen, meine ich. Und wie Rhobair schon sagt: Tarot ist wirklich weit von Zion entfernt. Pater Frahnklyn ist ein guter Mann. Aber wir können die Lage in Tranjyr von hier aus unmöglich besser beurteilen als er, solange uns nicht bessere Informationen vorliegen. Bitte beachten Sie: Ich habe solange gesagt! Wäre ich an Caylebs Stelle und könnte die Dinge so drehen, dass sich eine Situation ergibt, in
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