Haus der Lügen - 8
Pater Frahnklyn scheint Gorjah von Tarot ein wenig ... an Eifer eingebüßt zu haben, was den Kampf von Mutter Kirche betrifft.«
»Was?« Ruckartig richtete sich Trynair in seinem Sessel auf und kniff die Augen zusammen. »Ich habe gerade erst letzten Fünftag einen Bericht von Narth erhalten. Er hat nichts Ungebührliches berichtet!«
Mit teilnahmsloser Miene schaute Rhobair Duchairn zu, wie Clyntahn den Kanzler anlächelte. Es war ein unschönes Lächeln. Duchairn aber hatte sich allmählich daran gewöhnt. Ebenso, wie er sich an Clyntahns selbstgefällige Zufriedenheit darüber gewöhnt hatte, dass der Rest des Vikariats gehorsam bei Fuß ging. Bislang schien er dieses unziemliche Verhalten ausschließlich in Gegenwart seiner unmittelbaren Untergebenen und seiner ›Kollegen‹ aus der ›Vierer-Gruppe‹ an den Tag zu legen. Manchmal wünschte Duchairn, Clyntahn werde weiterhin so diskret bleiben. An anderen Tagen hingegen hoffte er darauf, Clyntahn möge irgendwann doch die Maske entgleiten. Dann könnten endlich alle nach der Säuberung noch lebenden Vikare die dahinter verborgene Fratze erkennen.
Das Problem ist: Von dieser Fratze wissen sie doch längst. Zhaspahr mag ja seine diebische Freude noch nicht offen zur Schau stellen – noch nicht! Aber alle wissen doch längst, was den Großinquisitor wirklich bewegt.
Duchairn selbst hatte mittlerweile aufgehört, sich Clyntahn unterzuordnen. Er legte es nicht direkt darauf an, den Großinquisitor zu provozieren. Aber er hatte sehr deutlich gemacht, dass ihm dessen Entscheidungen schlichtweg egal waren. Es war nicht überraschend, dass der Großinquisitor darauf mit unverhohlener Verachtung und Herablassung reagierte. Doch schien er sonderbarerweise davor zurückzuschrecken, Duchairn offen anzugreifen. Dabei war er überhaupt nicht mehr in dem Maße auf den Schatzmeister angewiesen wie früher. Clyntahn musste auf den Handel eingegangen sein, den Trynair ihm im Namen des Schatzmeisters vorgeschlagen hatte. Es war sogar denkbar, dass der Großinquisitor tatsächlich verstand , wie wichtig es war, dass Mutter Kirche auch noch eine sanftmütigere, mitfühlende Seite zeigte und sich nicht nur auf Faust und Peitsche, auf Angst und Schrecken verließ.
Aber wahrscheinlich ist Clyntahn einfach nur zufrieden, weil er mich für zu verängstigt hält, um ihn herauszufordern, oder weil ich mittlerweile so sanftmütig geworden bin, dass mich weltliche Macht einfach nicht mehr interessiert. Vielleicht auch eine Mischung aus beidem. Auf jeden Fall scheint er meine Erklärung, ich werde mich neutral verhalten, für bare Münze genommen zu haben. Und das bedeutet vermutlich, dass ich von seiner Warte aus betrachtet nicht einmal mehr Verachtung verdiene.
Nun, sollte Clyntahn tatsächlich so über ihn denken, war das Duchairn nur recht. Nicht, dass er die Absicht hatte, irgendwelche törichten, überoptimistischen Risiken einzugehen.
Hinter einer teilnahmslosen Miene verbarg der Schatzmeister seine Gedanken: Er fragte sich, was Clyntahn dieses Mal im Schilde führte. Pater Frahnklyn Sumyr, der Intendant der Kirche in Tarot, war Schuelerit wie fast alle Intendanten. Als solcher war er nur der Inquisition selbst unterstellt, auch wenn von jedem seiner Berichte, in denen politische Aspekte eine Rolle spielten, immer eine Abschrift im Kanzleramt eingehen sollte. Bischof-Vollstrecker Tyrnyr Narth hingegen hätte seine Berichte eigentlich an Failyx Gahrbor schicken müssen, den Erzbischof von Tarot, dessen Stellvertreter Narth offiziell war. Natürlich sollten auch von seinen Berichten Abschriften an das Kanzleramt gehen. Theoretisch hätte Trynair also über alles informiert sein müssen, was Clyntahn zu Ohren gekommen war.
Und das war ganz offensichtlich nicht der Fall.
»Es wundert mich eigentlich nicht sonderlich, dass Narth nichts dergleichen erwähnt hat«, fuhr Clyntahn fort, beinahe beiläufig. »Ist wahrscheinlich nicht seine Schuld. Nun, andererseits ist er unser offizieller Repräsentant in Tarot und bespricht sich regelmäßig mit Gorjah. Deswegen sollte er doch eigentlich über die gesamte Lage informiert sein.«
»Aber Sie sind der Ansicht, dem sei nicht so, richtig?«, fragte Trynair in scharfem Ton nach.
»Ach, ich bin mir sicher, dass er bestens vertraut ist mit allen diplomatischen Korrespondenzen und Verhandlungen – alles in dieser Art eben. Aber laut Pater Frahnklyn hat die Aktivität der charisianischen Navy in letzter Zeit aus unerfindlichen Gründen
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