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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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vielleicht hatte er auch irgendetwas aus dem Augenwinkel heraus gesehen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    Doch was auch immer ihn dazu bewogen haben mochte: Er blickte gerade in dem Moment auf, als der Klüverbaum der Ahrmahk kaum fünfzig Fuß hinter der Sankt Ithmyn deren Kielwasser kreuzte.
    Der Anblick genügte: Sein unverständlicher, halb erstickter Schrei erstarb vor Schreck. Selbst in diesem Augenblick noch wäre er niemals auf die Idee gekommen, es könne sich um ein charisianisches Schiff handeln. Hätte sein Verstand in diesem Moment richtig gearbeitet und wäre es helllichter Tag gewesen, keine verregnete, mondlose Nacht, dann, ja, dann hätte er sofort begriffen, dass ein Schiff mit so niedriger Wandung, schnittig wie ein Raubtier, unmöglich ein Schwesterschiff der Sankt Ithmyn sein konnte. Doch das Auge sieht, was der Verstand zu sehen erwartet , und so nahm der Soldat an, es müsse eines ihrer eigenen Schiffe sein, das aus der Formation ausgeschert war und um ein Haar mit der Sankt Ithmyn zusammengestoßen wäre.
    Der Leutnant, der gerade Wache hatte, blickte ruckartig auf, als er den kurzen Aufschrei hörte. Gleich darauf wirbelte er in die Richtung herum, in die der andere Mann starrte. Einen Moment lang zog er ganz genau die gleichen voreiligen und falschen Schlüsse. Aber im Gegensatz zu dem Bediensteten war er ein ausgebildeter Seemann. Sein Verstand beharrte immer noch darauf, dass das, was er gerade sah, unlogisch wäre, ungeheuerlich, ja unmöglich . Doch eines wusste er ganz genau: Wer oder was auch immer das da draußen war, gehörte nicht seiner Flotte an.
    »Fremdschiff geradewegs achteraus! Alle Mann auf ihre Posten! Captain an De ...!« Der junge Leutnant tat genau das Richtige. Mehr noch, er tat es auch noch in genau der richtigen Reihenfolge. Bedauerlicherweise machte das nun auch keinen Unterschied mehr für NGS Sankt Ithmyn .
    Selbst noch über das Rauschen von Wind und Wellen hinweg hörte Bryahn Lock Island den Ruf. Dass es an Bord von HMS Ahrmahk völlig still war – niemand sagte ein Wort, ja die Mannschaft atmete kaum – half viel. Die Worte konnte der High Admiral nicht verstehen – was sicherlich zum Teil an dem unverkennbaren Akzent aus den Tempel-Landen lag. Doch das Entsetzen in der Stimme erkannte Lock Island sofort. Dann wurde der Ruf durch ein gänzlich anderes Geräusch ersetzt.
    »Feuer!«, bellte Sylmahn Baikyr, und Tod und Verderben zerrissen die Finsternis.
    Der Leutnant hatte seinen Ruf noch nicht beendet, als die erste Breitseite der Ahrmahk ihr Ziel traf. Siebenundzwanzig Kanonenkugeln mit je dreißig Pfund Eigengewicht wirbelten in einem plötzlichen, blendenden Lichtblitz dem Schiff der Flotte Gottes entgegen. Noch nie hatte der Leutnant erlebt, wie ein schweres Geschütz in völliger Dunkelheit abgefeuert wurde. Niemals hätte er sich dieses Gleißen vorstellen können, den körperlichen Schmerz völlig überlasteter Sehnerven, als dieses unerwartete, grelle Licht aufflammte. Die charisianische Artillerie spie Flammen und Rauch, und der Leutnant sollte keine Gelegenheit mehr bekommen, die grausame Schönheit und unfassbare Wildheit dieses von Menschen gemachten Blitzschlags zu würdigen.
    Eine der ersten Kanonenkugeln traf den Leutnant genau über der Gürtelschnalle und riss ihn in zwei Teile. Sein Oberkörper wurde fünfzehn Fuß weit geschleudert, bevor er auf Deck aufprallte, und im Kreischen berstenden Holzes und bei all den Schreien hörte niemand den dumpfen Aufschlag.
    Der Angriff der Ahrmahk hatte sein Opfer völlig überrascht. Mehr als die Hälfte der Schiffsbesatzung lag noch in ihren Hängematten, schlief fest oder döste wenigstens. Andere spielten Karten und genossen in einer weiteren verregneten Nacht die Gesellschaft von Kameraden. Einige stopften Löcher in ihren Hosen; andere befassten sich mit den zahllosen kleinen Reparaturarbeiten, die an Bord eines Segelschiffs immer anfielen.
    Und dann, ganz plötzlich, brach die Hölle über sie herein. Kanonenkugeln von sechs Zoll Durchmesser krachten in ihr Schiff, ließen die Heckfenster bersten, rasten todbringend über die gesamte Länge ihrer überfüllten Decks. Männer in Hängematten schrien vor Schmerzen, als die Kugeln ihnen Arme und Beine abrissen. Matrosen erwachten aus Schlaf und Träumen von der Heimat und sahen sich verstümmelten Leichen gegenüber. Die gleichen Kugeln fraßen sich in Deck- und Stützbalken und schleuderten Holzsplitter umher, die sich wie Schrapnelle in weitere

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