Haus der Lügen - 8
luvwärtige Kolonne wurde völlig aufgerieben. Die Mannschaften waren überrascht; sie konnten nicht glauben, was gerade geschah: Aus den Tiefen des Schlafes wurden sie in einen unbeschreiblichen Albtraum gerissen. Und als sich plötzlich das Wrack der Sankt Ithmyn wie ein loderndes Mahnmahl vor der Nacht abzeichnete, erholte sich davon die ganze Kolonne nicht mehr.
Und das lag wahrlich nicht daran, dass sie es nicht versucht hätten.
Die hintersten drei Schiffe hatten überhaupt keine Chance. Aus der Dunkelheit heraus angegriffen, wurden ihre Mannschaften in Stücke gerissen, noch ehe sie etwas unternehmen konnten. Die charisianischen Schiffe kamen auf bis zu zwanzig Schritt zu ihnen auf, gingen längsseits zu ihren Zielen, überholten sie dabei, das aber langsam genug, um jedes einzelne davon gnadenlos zu bestreichen. Masten barsten und stürzten über Bord. Geschütze wurden von Volltreffern aus ihren Schlitten gerissen, noch ehe man ihre Haltetaue lösen konnte. Es war ein wahr gewordener Albtraum, der die Rümpfe der Schiffe selbst beinahe ebenso rasch zerfetzte wie den Zusammenhalt ihrer Besatzungen.
Den elf Schiffen vor ihnen blieb etwas mehr Zeit. Sie waren wenigstens vorgewarnt. Segelschiffe, selbst charisianische Segelschiffe, sind selten so schnell wie Peitschenechsen. Die Ahrmahk brauchte eine gewisse Zeit, die Schiffe vor der Sankt Ithmyn einzuholen. Lock Islands größte Befürchtung war es gewesen, eine der Kolonnen der Kirche könnte eigenständig aus dem Verband ausscheren. Könnte den Strich über das T seiner eigenen Kiellinie ziehen, um ihm das anzutun, was er der Sankt Ithmyn angetan hatte.
Doch Überraschung, Verwirrung und Entsetzen sind kein guter Nährboden für eigenständiges Handeln. Vor allem nicht für Männer, die nie zuvor die Grausamkeit einer Breitseite aus Kernschussweite erlebt hatten. Die Offiziere und Mannschaften der Schiffe taten wirklich ihr Bestes, und nach der ersten Panik reagierten sie mit Mut und Entschlossenheit. Doch sie reagierten nur. Sie handelten nicht aus eigenem Antrieb. Sie verteidigten sich, bereiteten ihre Geschütze vor, brachten trotz ihrer Überraschung und trotz der Verwirrung ihre Batterien zum Einsatz. Sie erwiderten das Feuer – zunächst nur sporadisch, dann deutlich kontrollierter –, noch während eine scheinbar unendliche Reihe charisianischer Geschützpforten an ihnen vorbeizog, und jede einzelne spie Flammen und Verderben.
Keiner der Matrosen, keiner der Offiziere der ersten Kolonne musste sich für sein Handeln schämen. Die meisten von ihnen fielen nach und nach im Angesicht des Feindes, schrien trotzig, bemannten ihre Geschütze. Doch das Einzige, was sie hätte retten können, wäre es gewesen, rasch und entschlossen in die Offensive zu gehen ... und dazu waren sie allesamt nicht in der Lage.
Na, das war der leichtere Teil! , dachte Lock Island, als die geborstenen Wracks der luvwärtigen Kolonne hinter seinen Schiffen zurückblieben.
Drei weitere Feindschiffe waren in Brand geraten. Die Flammen fauchten dem Himmel entgegen und färbten die Wolken blutrot. Es war ganz offenkundig, dass die anderen zehn Schiffe länger kampfunfähig bleiben würden, Stunden, wahrscheinlich sogar Tage lang. Keines der Schiffe würde wohl sinken. Wenn sie hätten in Brand geraten können, stünden sie vermutlich schon in Flammen. Dennoch war damit zwanzig Prozent von Harpahrs gesamter Truppenstärke nicht mehr in der Lage, in der bevorstehenden Schlacht eine Rolle zu spielen.
Sollten wir als Sieger aus dieser Schlacht hervorgehen, kann je ein Schoner sie immer noch kapern , dachte der High Admiral. Wenn wir verlieren, wird Harpahr sie wahrscheinlich alle einsammeln, um sie reparieren zu lassen ... irgendwann. Aber so weit darf es nicht kommen!
Ein Teil von Lock Island hätte das Gefecht am liebsten abgebrochen und wäre wieder in der Dunkelheit verschwunden. Was der Kirchen-Flotte widerfahren war, musste sich schon jetzt verheerend auf die Kampfmoral auswirken. Wenn er jetzt den Angriff abbräche und das Gleiche noch ein- oder zweimal wiederholte, dann ...
Vergiss es! , sagte er sich. Harpahr und Taibahld sind für so einen Mist einfach zu gut! Ja, heute hast du sie mit heruntergelassener Hose erwischt. Aber wieso glaubst du, jemand der so schlau ist wie die beiden, würde sich so etwas noch einmal antun lassen? Abgesehen davon hast du das heute doch nur dank des Wetters hinbekommen!
Genau, er hatte sie übel erwischt. Aber jetzt war es an der Zeit,
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