Haus der Lügen - 8
innerlich an.
Was auch immer geschehen mag, diese Mistkerle da drüben werden mehr abbekommen, als sie sich im Moment vorstellen können! , sagte er sich.
Die vorderste Galeone der Kirche eröffnete das Feuer.
Der Abstand zu ihrem Ziel war noch beachtlich, vor allem für unerfahrene Schützen und bei derart schlechten Sichtverhältnissen. Das Donnergrollen und die Blitze ihrer Breitseite zerrissen die Nacht. Sämtliche der Fünfundzwanzig-Pfund- und Zwölf-Pfund-Geschosse stürzten harmlos ins Meer. Die Charisianer hielten sich zurück. Sie erwiderten das Feuer nicht. Noch nicht. Ungerührt durchpflügten Charis’ Schiffe die schäumenden Wellen, die Männer darauf zuckten nur hin und wieder zusammen, als das eine oder andere Geschoss doch eines ihrer Schiffe streifte. Die meisten charisianischen Schiffe in vorderster Reihe aber waren gebaut für die Schlacht, echte Kriegsschiffe mit deutlich stärkerem Holzwerk und schwerer Beplankung. Das leistungsschwache Schießpulver der Kirche und die leichteren Geschosse konnten es mit ihrer Robustheit einfach nicht aufnehmen.
Gelegentlich jagte eine Kanonenkugel heulend über ein Schiff hinweg oder durchschlug wie eine unsichtbare Faust ein Toppsegel. Wanten wurden abgerissen, und Matrosen eilten über die Webeleinen, um durchtrenntes Tauwerk wieder zusammenzuspleissen. Einige Kugeln des Gegners – nur sehr wenige – trafen Ziele aus Fleisch und Blut. Eine Fünfundzwanzig-Pfund-Kugel durchschlug das Finknetz am Achterdeck der Ahrmahk . Einer der Karronadenschützen sackte lautlos zusammen, als sein Schädel plötzlich einfach verschwand, und zwei weitere Männer, die am gleichen Geschütz gestanden hatten, stürzten auf Deck. Ihr Blut zeichnete ein bizarres Muster auf die Planken.
Helfer brachten sie eilends unter Deck, wo die Feldscherer und Heiler bereits auf sie warteten. Ein paar Matrosen an Bord des Flaggschiffs blickte sich besorgt um. Doch die meisten standen nur da, beobachteten die Flammen, die aus den Geschützen des Gegners schlugen, und warteten. Der High Admiral hörte, dass zumindest einige von ihnen abfällige Bemerkungen über die mangelnde Zielgenauigkeit der gegnerischen Schützen fallen ließen, und er grinste breit, als ein grauhaariger Geschützführer dem Feind den Rücken zuwandte, dann die Hose herunterzog und mit dem blanken Hinterteil hin und her wackelte.
Gelächter brandete auf, vermischt mit Pfiffen und einigen außergewöhnlich obszönen Vorschlägen, wie man die Beleidigung noch steigern könnte. Sofort verdoppelte der hosenlose Geschützführer seine Anstrengungen. Natürlich war das gänzlich inakzeptables Verhalten, und eine gefauchte Ermahnung durch seinen Divisionskommandeur rief dem Mann sogleich seine eigentlichen Pflichten ins Gedächtnis zurück. Aber Lock Island war sich recht sicher, dass der jugendliche Leutnant in Wirklichkeit gar nicht so erbost gewesen war.
»Ich halte das ja für Pulver- und Kugelverschwendung, Ahrnahld«, meinte Harpahr leise und schaute zu, wie die vordersten Schiffe seiner Kolonne feuerten. Sein Flaggkommandant zuckte mit den Schultern.
»Zweifellos, Mein Lord. Andererseits kann man sie davon von hier aus auch nicht abhalten. Und vielleicht haben sie ja sogar Glück – möglicherweise töten sie den einen oder anderen Charisianer oder reißen ein paar Spieren herunter. Außerdem ist es mir wirklich lieber, wenn sie feuern, auch wenn sie nichts treffen, als dass das tatenlose Abwarten ihre Angst steigert. Abgesehen davon«, kurz ließ er seine Zähne aufblitzen, »werden sie in zwanzig Minuten nahe genug sein, um doch etwas zu treffen.«
Ganz anders als beim ersten, plötzlichen Schlagabtausch näherten sich die Flotten dieses Mal langsam aneinander an. Dieses Mal gab es keinen Hinterhalt, keine überraschend aufbellende Artillerie im Schutze der Nacht. Dieses Mal wussten beide Seiten, was auf sie zu kam. Die Schützen der Kirche erzielten mehr und mehr Treffer, je weiter sich der Abstand verringerte: langsam, aber stetig.
Ein Krachen und Jubelschreie in der Ferne verrieten Lock Island, dass wenigstens eine Kanonenkugel der Kirche ein Ziel gefunden hatte. Vielleicht hat sie ja eine offene Geschützpforte erwischt , dachte er. Vielleicht war auch der Abstand mittlerweile gering genug, dass man sogar mit dem Schießpulver der Kirche die Wandung eines charisianischen Kriegsschiffs durchschlagen konnte.
Kurz blickte er zu Sylmahn Baikyr hinüber. Mondlicht strömte jetzt zwischen den Wolkenfetzen
Weitere Kostenlose Bücher