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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Tymahns. Doch Waimyns Entscheidung, ihn ermorden zu lassen, hatte hier in Manchyr ganz eindeutig die Wende herbeigeführt. Gahrvai war zwar noch nicht bereit, voller Optimismus zu triumphieren, aber nach Waimyns Festnahme hatten die Gewaltausbrüche in der Stadt drastisch abgenommen. Die Hinrichtung des ehemaligen Intendanten hatte nicht zu Protesten und Ausschreitungen geführt. Im Gegenteil: die Bürger hatten eher erleichtert reagiert. Immer noch wurden überall in der Stadt Flugblätter mit anticharisianischer Propaganda an Türen geheftet. Immer noch versammelten sich Tempelgetreue in ihren eigenen Kirchen, und immer noch hörten sie auf die Worte ihrer eigenen Priester. Nach wie vor zog charisianische Marine-Infanterie, die auf den Straßen patrouillierte, böse Blicke auf sich, sogar den einen oder anderen Buhruf oder Pfiff. Mittlerweile jedoch warf niemand mehr mit toten Katzenechsen nach den Männern. Es wurden nicht einmal mehr überreife Tomaten als Wurfgeschosse verwendet.
    Natürlich war die Bevölkerung von Manchyr nach wie vor über die charisianische Besatzung erbost. Die meisten Corisandianer allerdings – zumindest im Südosten – schienen bereit zu akzeptieren, dass die Charisianer wirklich ihr Bestes gaben, die Bevölkerung des von ihnen besetzten Landes nicht allzu sehr gegen sich aufzubringen. Ja, tatsächlich schienen die meisten die Besatzung mittlerweile hinzunehmen, wenn auch häufig unwillig.
    Dass Vizekönig-General Chermyn stets mit größter Sorgfalt sowohl das vor Ort geltende Recht als auch die lokalen Gepflogenheiten und Gebräuche achtete, wann immer das möglich war, hatte gewiss seine Vorteile gehabt. Es war den Corisandianern auch nicht entgangen, dass die Charisianer die Rolle der wichtigsten Friedenstruppe im Fürstentum Gahrvais Gardisten überlassen hatten und ganz darauf vertrauten, das werde auch ausreichen. In vielerlei Hinsicht war die eigentliche Nagelprobe gekommen, als drei charisianische Marine-Infanteristen eine junge Farmerstochter vergewaltigt hatten. Gahrvai hatte sich sofort an Chermyn gewandt, und der Vizekönig-General hatte rasch und entschieden gehandelt: Er hatte angewiesen, die drei mutmaßlichen Vergewaltiger in Gewahrsam zu nehmen. Kaum dass das geschehen war, hatte er ein Kriegsgericht einberufen, bei dem Gahrvais Gardisten corisandianische Zeugen vorführten. Der Strafverteidiger hatte die Zeugen sehr eindringlich befragt. Doch man hatte sie als glaubwürdig erachtet, und so war das Gericht sehr rasch zu einem Urteil gekommen. Nach dem Kriegsrecht kam für Vergewaltigung nur eine Strafe in Frage, und die Verurteilten wurden zu eben jener Farm zurückgeführt, auf der das Verbrechen begangen worden war. Dort hatte man die drei Charisianer hingerichtet.
    Das war nicht der einzige Fall rascher, unparteiischer Rechtsprechung in Corisande gewesen. Es hatte sogar deutlich weniger derartige Zwischenfälle gegeben, als Gahrvai eigentlich erwartet hatte. Zu seinem großen Bedauern hatte seine eigene Armee im Abwehrkampf gegen die charisianischen Invasoren Prinz Hektors Untertanen deutlich häufiger Unrecht angetan als der Gegner. Natürlich war es hin und wieder zu Straftaten gekommen – die Charisianer wussten sich ja an sich gut zu benehmen, aber auch sie waren keine Heiligen! Gahrvai wusste von Diebstählen, Plünderungen, hin und wieder Schlägereien und mindestens zwei Todesfällen – wobei einer davon zweifellos auf Notwehr seitens eines Charisianers zurückzuführen war. Die Bevölkerung des Fürstentums hatte sich – wenngleich oft unwillig – eingestehen müssen, dass die Besatzer entschlossen Gerechtigkeit durchsetzten und sich selbst keine Freiheiten herausnahmen.
    Und dann ist da noch Staynair , dachte Gahrvai. Dieser Mann ist geradezu unheimlich! Er ist Charisianer und ein Ketzer ... und trotzdem: Ich glaube, allein mit seinen Worten könnte er sogar eine Peitschenechse dazu bringen, ihm aus der Hand zu fressen.
    Kurz verzog Gahrvai die Lippen zu einem Grinsen. Wirklich übertrieben war es nicht, sein Bild von Staynair. Maikel Staynair hatte niemals für den schismatischen Eifer der Kirche von Charis um Entschuldigung gebeten. In jeder einzelnen Predigt hatte er den Unterschied zwischen der Kirche von Charis und dem Glauben der Tempelgetreuen unmissverständlich erläutert, als wäre es das erste Mal. Und niemand, der ihm je begegnet war oder ihn hatte predigen hören, vermochte die unerschütterliche Hingabe in Frage zu stellen, mit der

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