Haus der roten Dämonen
auch nur ahnte, was geschah. Die Tür krachte hinter ihr ins Schloss und Julia lehnte sich gegen die Füllung. Ihr Gesicht glühte vor Aufregung und Zorn. Der Adlatus hätte sie beinahe geschlagen.
»Da haben wir es ja gerade noch geschafft!«, maunzte der Kater. Er saß vor ihr und leckte sich die Pfoten.
Julia sah ihn ungläubig an. »Du kannst reden?«
Das Tier setzte die Pfote ab, die es soeben sauber geleckt hatte. Es legte den Kopf schief und betrachtete Julia mit seinen in Regenbogenfarben schimmernden Augen ohne Pupille. Sie glaubte schon, sich getäuscht zu haben, als sich der Mund des Katers öffnete und sich seine Lippen bewegten: »Wieso denn nicht?«
»Was bist du?« Dass es sich bei dem Tier nicht um einen normalen Kater handelte, war ihr bewusst. Doch was war es dann?
»Wir müssen die Frage noch einmal hinausschieben«, sagte der Kater und machte einen Buckel, dann lauschte er mit zurückgelegtem Kopf. »Der Hausherr kommt. Hör zu. Ich vertraue dir, dass du mich nicht verrätst. Er darf mich nicht sehen. Versprich es.«
Julia nickte. Sie glaubte kaum, dass der Kater das noch gesehen hatte, denn er verschwand wie ein rötlicher Blitz unter der Treppe und kauerte sich dort ins Dunkel.
Mit schweren Schritten und grauem Gesicht mühte sich
der Maler die Treppe halb hinab. Er sah sich um, sah Julia und winkte ihr zu.
»Hat das Haus dich also doch hereingelassen«, murmelte der Maler.
Julia konnte diesem Satz keinerlei Sinn entnehmen, nickte jedoch.
»Was willst du hier?«
»Ich muss mit Euch reden, Messer Arcimboldo.«
»Mit mir? Ein Kind muss mit mir reden?« Der Maler lachte.
»Es geht um Jan, Euren Gehilfen«, setzte Julia hinzu. Plötzlich lag Interesse in den müden Augen. »Um Jan also. Nun, dann komm, Kind. Der Verwachsene hat dir hoffentlich nichts getan! Komm hoch ins Atelier.«
Julia schüttelte den Kopf und nickte gleichzeitig. War das der Maler, den Jan ihr beschrieben hatte? Wohl kaum.
Sie schlich zur Treppe, bemerkte, wie der Kater zwischen den Stufen indurchschaute und den Kopf schüttelte, und stieg dann langsam die Stufen empor.
Wie lange er gelegen und geschlafen hatte, konnte Jan nicht sagen. In der Dunkelheit dehnte sich die Zeit und verschwand gleichzeitig, als erlösche sie mit dem Licht. Er konnte nicht sagen, ob es noch Tag war oder schon Nacht, denn das Fensterloch führte nicht nur ans Tageslicht, sondern wurde offenbar auch von Fackeln oder Kienspänen beleuchtet. Das Licht war also nicht immer nur Sonnenlicht.
Jan richtete sich auf. Offenbar hatte er tief geschlafen. Auch Jakub, der Zwillingsbruder, lag da und atmete mit offenem Mund. Erst jetzt, nachdem er sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, konnte er den geschundenen Körper des Mannes erkennen. Dessen Fußsohlen waren ein einziger Brei aus Fleisch und bereits an manchen Stellen entzündet.
Wenn er nicht bald einen Wundarzt aufsuchte, würde er beide Beine verlieren.
Ein Rasseln von Schlüsseln und Schritte vor der Tür ließen Jan aufhorchen.
Er rappelte sich auf und stellte sich mit dem Gesicht zur Tür.
»Nur keine Aufregung«, gemahnte sein Mitgefangener mit matter Stimme. Offensichtlich hatte er doch nicht so tief geschlafen, wie Jan es vermutet hatte. »Sie holen nur einen von uns zum Verhör. Wünsch dir nicht, dass du es bist.«
Bevor Jan fragen konnte, was das bedeutete, stieß der Schlüssel ins Schloss, drehte sich und die Pforte wurde geöffnet. Eine Fackel erhellte den Raum und hätte Jan beinahe das Augenlicht verbrannt. Das jedenfalls war sein Gefühl. Das Licht blendete ihn wie ein Blitz. So konnte er nicht erkennen, wer den Raum betrat. Allerdings roch er den Menschen. Und der Geruch verhieß nichts Gutes. Seine Faust schloss sich um den Uschebti. Er war schwer genug, um damit einen Schädel zu zertrümmern.
»Ist er das?«
»Ja, Herr, das ist der Junge!«
»Bringt ihn zu mir!«, hörte er den Mann sagen. Die Stimme ließ keinen Zweifel. Dieses fette, blubbernde Timbre kannte er.
Arme griffen unter seine Achseln, zerrten ihn zur Tür und schleppten ihn aus dem Kerker.
»He!«, schrie Jakub ihnen hinterher. »Was ist mit mir?«
»Halt’s Maul und verrecke!«, rief die Wache und lachte hämisch.
Jan hörte nur ein Rasseln, dann klatschte etwas Schweres auf einen Gegenstand. Ein Seufzen war zu hören, ein Knirschen. Der Wärter, der ihn eben noch gehalten hatte, ließ
los. Jan kam frei, stolperte. Erst langsam kehrte das Augenlicht zurück.
Was er sah, ließ ihn
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