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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Eingebung folgend die Hand aus, als würde es betteln. Bettlern, das hatte sie die Erfahrung gelehrt, sah man schon aus Furcht nicht in die Augen, übersah sie am besten und womöglich übersah der Adlatus sie ebenfalls.
    Julia hörte die Schritte auf sie zukommen. Ihre Hand zitterte, als er vorüberging. Ihr gesamter Körper fror – und es wurde noch eisiger, als die Schritte plötzlich inne hielten. Sie sah den Krummgewachsenen stutzen, sich umdrehen und auf sie zugehen.
    »Warum musst du betteln, Kind?«, fragte er.
    Sie wusste nichts darauf zu sagen. Julia beschloss, einfach weiter so zu verharren, bis dieser Contrario ihrer müde geworden war und fortging. Doch der Gehilfe ließ nicht
locker. »Zeig mir dein Gesicht!«, befahl ihr der Gehilfe. Das war der Augenblick, den sie sich nicht herbeigewünscht hatte.
    Voller Angst hob sie den Kopf. Contrario-Buntfinger konnte sie nur einmal gesehen haben. Vielleicht würde er sie nicht mehr erkennen. Langsam hob sie ihr Gesicht und sah den Adlatus an. In den Augen des Malergehilfen zuckte jedoch kein Wiedererkennen.
    »Du bist …«, der Adlatus musste sich räuspern, »du siehst aus wie eine Göttin. Willst du nicht Modell stehen?«
    Julia wusste nicht, was sie sagen sollte. Was hieß das, Modell stehen?
    »Ich habe ein Atelier in der Nähe und würde dich gern malen. Du hast so ein … so ein engelhaftes Gesicht! Es soll nicht dein Schaden sein. Vom Geld dafür kannst du gut einen Monat …«
    Sofort verstand sie. Mit diesem Menschen in einem Raum sein, sich für ein Bild abmalen lassen. Nein! Ihre Nackenhaare sträubten sich. Julia wollte nichts mehr hören, wollte weg. Sie nahm all ihren Mut zusammen, raffte den Rock und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, in Richtung Messer Arcimboldos Atelier weiter.
    Sie erwartete, dass der Adlatus ihr nachlaufen, sie festhalten, dass er sie bedrängen oder gar mit sich zerren würde. Nichts dergleichen geschah. Julia lief einfach die Gasse entlang, und sie bemerkte nicht sofort, dass ihr die Tränen von Wangen und Kinn tropften.
    »Bettelst du hier öfters? Ich werde dich gut bezahlen. Brauchst du kein Geld?«, rief ihr der Adlatus hinterher.
    Mit nichts auf der Welt würde er sie locken können, das wusste sie.
    Ihre Beine bewegten sich wie von selbst immer schneller. Sie lief die letzten Meter wie der Blitz und schoss um eine
Wegbiegung. Dann blieb sie stehen und horchte. Der Adlatus folgte ihr nicht.
    »Das war knapp!«, murmelte sie. Direkt gegenüber von ihr lag das Atelier des italienischen Malers.
    »Freu dich nicht zu früh, den wirst du nicht mehr los!«
    Julia zuckte zusammen. Wieder hörte sie diese Stimme. Sie sah sich um, ohne auch nur eine Menschenseele zu bemerken.
    »He. Du bist nicht verrückter als ich«, beruhigte sie die Stimme. »Warte, ich schau, ob der Adlatus weg ist.«
    Julia traute ihren Augen kaum. An ihr vorbei huschte der fuchsfarbene Kater mit geschmeidigen Schritten über die Straße. Er sah nicht nach rechts oder links. Wie der Blitz war er auf die andere Seite der Gasse gelaufen.
    »Warum so eilig!«, fauchte es neben ihrem Kopf.
    Julia fuhr hoch. Als wäre er aus dem Boden gewachsen, stand Contrario vor ihr und grinste spöttisch. »Wer wird denn vor mir davonlaufen? Ich biete dir eine Tätigkeit an, die so wenig anstrengt, dass es geradezu lächerlich ist, dafür Geld zu geben: Du musst nur dastehen und dich von mir malen lassen. Mehr nicht.«
    Julia starrte den Adlatus an. Sie forschte in seinen Augen und suchte darin nach einem Erinnern an ihr Zusammentreffen im Festsaal Kaiser Rudolfs oder bei ihrem Großvater. Doch da war nichts. Es gab kein Erinnern. Und doch musste er von ihr wissen. Wie sonst hätte der dreiköpfige Leu nach ihr Ausschau halten und sie suchen können?
    »Ich gehe mit niemandem mit!«, hauchte sie.
    »Ach, so ist das«, knurrte Contrario. »Ich bin dir nicht gut genug, was?«
    Der Adlatus hob die Hand, um zuzuschlagen, als auf der gegenüberliegenden Seite ein Fenster geöffnet wurde.
    »Du Hund!«, schrie es von oben herab.

    Contrario zuckte zusammen. Sein Kopf ruckte in die Richtung des Zurufs. Messer Arcimboldo stand im Fenster und drohte ihm mit der Faust.
    Was der Adlatus nicht sah, was Julia jedoch sofort bemerkte, weil der Kater die günstige Gelegenheit ergriff und hineinhuschte, war die Haustür, die plötzlich offen stand. Julia tauchte unter der erhobenen Schlaghand durch, rannte quer über die Gosse und verschwand im Haus des Malers, bevor Contrario

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